Frau riecht an Duftfläschchen
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Riechtraining für angeschlagene Nasen

Bis zu 60 Prozent der SARS-CoV-2-Patientinnen und Patienten erleben durch die Erkrankung Einbußen oder einen totalen Verlust ihres Geruchsinns. Und der bleibt einigen auch nach der Heilung erhalten. Dabei kann gezieltes Riechtraining helfen.

Nicht gut oder schlicht gar nichts mehr riechen zu können, kann nicht nur jetzt in der geruchsintensiven Vorweihnachtszeit eine echte Belastung sein, sondern das ganze Jahr. Bis zu 15 Prozent der Menschen in Österreich haben leichte bis schwere Riechdefizite. Und seit Anfang dieses Jahres haben durch die Pandemie Riech- und Geschmackstörungen zugenommen. Nicht mehr zu riechen, ob das Deo noch wirkt oder ob das Essen auf dem Herd verkohlt, schränkt nicht nur die Lebensqualität ein, sondern kann auch gefährlich werden und zu Lebensmittelvergiftungen und Unfällen führen.

Dabei gibt es für jene, die ihren Geruchsinn durch Virusinfektionen oder ein Schädel-Hirntrauma verloren haben, durchaus Hoffnung ihn wiederherzustellen, zumindest teilweise. Denn der Geruchsinn lässt sich trainieren, sagt Thomas Hummel, Leiter des Interdisziplinären Zentrums „Riechen und Schmecken“ am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.

In Studien konnte Thomas Hummel zeigen, dass die Düfte von Rose, Gewürznelke, Zitrone und Eukalyptus einen großen Teil des Riechspektrums abdecken und daher gute Resultate zeigen. Patientinnen und Patienten schnüffeln beim Training zweimal am Tag zwanzig bis 30 Sekunden an den Düften, über einen Zeitraum von zwei bis 9 Monaten. Man muss also Geduld und Frustrationstoleranz mitbringen, denn die Erfolge zeigen sich nur langsam.

Viele gute Resultate

Der Wiener HNO-Arzt Christian A. Müller, Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen an der Medizinischen Universität Wien, rät seinen Patientinnen und Patienten mit positiv konnotierten Düften zu beginnen. Bei zwei Drittel seiner Patientinnen und Patienten kann Müller mäßige bis sehr gute Verbesserungen des Riechvermögens feststellen. Derzeit arbeitet er an der Med Uni Wien an einer Studie, bei der die Prävalenz, der Schweregrad, die Dauer und der Verlauf der Riech- und Schmeckstörungen im Rahmen einer Infektion mit SARS-CoV-2 erhoben werden.

Riechtraining für Nase und Gehirn

Das Riechtraining soll die Regeneration der Riechzellen, die in der Nasenschleimhaut zwischen den Augen sitzen, beschleunigen. Außerdem wird das Gehirn bei der Verarbeitung von Riechinformation besser, sagt Thomas Hummel. Das lässt sich auch auf MRT-Aufnahmen beobachten. So wird der Riechkolben bei Menschen, die ihren Geruchsinn trainieren, größer.

Verschiedene Düfte in Fläschchen mit Zitrone und Rose
urbanscent – smelling training

Dabei handelt es sich um einen wurmgroßen Teil und die erste Umschaltstation von Gerüchen im Gehirn. Auch andere Gehirnareale, die für die Verarbeitung von Riechinformationen zuständig sind, vergrößern sich. Auch wenn eine eingeschränkte Nase weniger Informationen liefert, werden die im Gehirn besser genutzt, erklärt Thomas Hummel.

Riechtraining der Parfümeurin

Eine die ihren Geruchsinn als Gesunde trainiert hat, ist die französische und in Berlin lebende Parfümeurin Marie Urban. Sie verfügt zwar von Haus aus über eine außergewöhnliche Nase musste sie aber in jahrelanger Arbeit verfeinern und trainiert sie immer noch Tag für Tag.

Nachdem zwei ihrer Freunde durch eine SARS-CoV-2 -Erkrankung ihren Geruchsinn verloren haben, hat sie in Zusammenarbeit mit Thomas Hummel ein Geruchs-Trainingskit herausgebracht, das neben den vier bekannten Düften auch Birkenharz enthält, das den Geruch nach Verbranntem simulieren soll. Egal mit welchen Düften man übt, wichtig sei es auf natürliche Duftstoffe zu setzen, sagt Marie Urban. Auch von starken Düften sollte man besser die Finger lassen, da sie die Schleimhäute angreifen können. Alkohol als Trägersubstanz ist ebenfalls nicht ideal. Bevor aber mit dem Training begonnen wird, lässt man die Symptome besser bei einem HNO-Arzt oder einer Ärztin abklären.