Mediznisches Personal: Frau mit Schutzmaske hantiert mit einem Proberöhrchen
JEAN-PHILIPPE KSIAZEK/AFP
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Wie zuverlässig sind Speicheltests?

In österreichischen Apotheken sind seit Kurzem CoV-Speicheltests erhältlich. Die Hersteller sprechen von einer hohen Zuverlässigkeit. Eine unabhängige Untersuchung dieser Angaben gibt es allerdings noch nicht.

Ein bis zweimal tief räuspern, in ein Röhrchen spucken, eine Lösung darauf träufeln und 15 Minuten warten – so einfach sollen neue Antigen-Speichel-Schnelltests für den Heimgebrauch funktionieren. Die Hersteller versprechen eine hohe Sensitivität, bei 95 Prozent werde die Infektion richtig erkannt. Das gelte aber nur bei hochansteckenden Menschen, erklärt Judith Aberle vom Zentrum für Virologie der Universität Wien. „Sobald die Viruslast absinkt, oder wenn die Viruslast noch nicht so stark angestiegen ist, kann man davon ausgehen, dass der Test eine niedrige Sensitivität hat und daher auch mehr Infizierte nicht erfasst.“

Dennoch hält sie Speicheltests für sinnvoll. „Es ist eine gute Möglichkeit, um auf niederschwelliger Basis zusätzliche Infektionen herauszufinden. Die Sensitivität ist zwar nicht so hoch wie bei einem PCR-Test, aber man kann damit wesentlich häufiger und wesentlich mehr testen.“ Diese niederschwellige Methode entlaste auch das Gesundheitspersonal. Denn sie müssen, im Gegensatz zu PCR-Tests, nicht im Labor ausgewertet werden und sparen dadurch Ressourcen.

Testen, testen, testen

Jeder zusätzliche Test könne Infizierte herausfiltern und damit auch Ansteckungsketten durchbrechen, so die Virologin. „Qualität sollte vor Quantität stehen. Wenn jemand einen minderwertigen Test macht, sich danach in falscher Sicherheit wiegt und die Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigt, ist der Schaden mitunter größer“, meint hingegen der Allgemeinmediziner Ramin Nikzad. Er hat eine Kassenpraxis in Wien und arbeitet im Auftrag des Ärztefunkdienstes in der Covid-19-Teststelle des Wiener AKHs – seit Beginn der Pandemie. Er hat schon viel Erfahrung mit dem Coronavirus und sämtlichen Testmethoden gesammelt – ob nun Speichel- oder Nasen-, Rachenabstrichtests. „Es existieren große Qualitätsunterschiede bei Schnelltests. Es gibt durchaus gute, in Österreich werden aber auch zu wenig sensitive Produkte vertrieben, die auch nicht anschlagen, wenn jemand hochinfektiös ist.“

In der Covid-19-Erstversorungsambulanz treffe er immer wieder auf Menschen, die zuvor bei diversen Schnelltests falsch negative Ergebnisse erhalten haben. Auch in seinem eigenen Bekanntenkreis gebe es einen solchen Fall. „Da haben sich vor der familiären Weihnachtsfeier alle gewissenhaft im Rahmen der Massentests schnelltesten lassen. Und am Ende waren alle positiv. Das heißt, da war mindestens ein Test dabei, der entweder qualitativ nicht gut war oder nicht gut durchgeführt wurde.“

Richtige Durchführung maßgeblich

Bisher galt die Devise: Man muss möglichst tief in Rachen oder Nase bohren, um auch ein zuverlässiges Ergebnis zu erhalten und plötzlich soll Speichel alleine ausreichen? Nikzad ist skeptisch. „Weil ich einfach der Überzeugung bin, dass das von der Gewinnung an notwendigem Virusmaterial viel zu unsicher ist.“ Bei besonders infektiösen Menschen sei das Virus auch im Speichel nachweisbar, entgegnet Aberle. Am infektiösten ist man in der ersten Woche nach der Ansteckung, erklärt die Virologin.

Unabhängige Studien fehlen

Bei den neuen „Spuck“-Tests muss man sich auf die Angaben der Produzenten verlassen. Eine unabhängige Untersuchung über ihre Zuverlässigkeit gibt es noch nicht. Entsprechende Studien laufen gerade, berichtet Aberle.

Weil es sich bei den Speicheltests um ein Medizinprodukt handelt, können sie auch ohne externe Prüfung zugelassen werden. Der Hersteller sei alleine für die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen verantwortlich. Er sichere in einer sogenannten „Konformitätsbewertung“ die Zuverlässigkeit seines Produkts zu und hafte auch dafür, heißt es seitens des österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen, BASG. Dieses Verfahren sei EU-weit einheitlich geregelt.

Rund um Corona kommen derzeit viele Produkte auf den Markt. „Ich meine, natürlich ist das jetzt auch ein Riesenbusiness. Eine unabhängige Begutachtung ist sehr wichtig. Jeder Test, jedes diagnostische Verfahren muss geprüft werden – genauso wie es ja derzeit auch bei der Impfung passiert“, fordert der Allgemeinmediziner Nikzad.

Schnelltests nur Momentaufnahme

Aberle vertraut auch schon vor externen Überprüfungen auf die Speicheltests. „Also prinzipiell funktionieren sie. Sie sind einfach in der Anwendung und daher eine gute Ergänzung, um möglichst viele Infizierte zu finden.“ Dabei sei die richtige Durchführung entscheidend. Man müsse die vollen 15 Minuten abwarten, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu haben. „Und man muss wissen, dass ein negatives Testergebnis eine Infektion auch nicht ausschließt.“

Jeder Schnelltest sei lediglich eine Momentaufnahme. Maßnahmen, wie regelmäßiges Händewaschen und Abstandhalten, müssten trotzdem weiter eingehalten werden.