Zitteraal unter Wasser
Leandro Sousa
Leandro Sousa
Verhalten

Schockierend: Zitteraale jagen in Schwärmen

Einem solchen Fischschwarm möchte man unter Wasser eher nicht begegnen: Zitteraale gehen in Verbänden auf die Jagd – und bringen ihre Beute mit Stromschlägen zur Strecke.

Schwärme mit mehr als 100 Zitteraalen hat der Zoologe David de Santana in einem See im Amazonasgebiet entdeckt, viele davon gut einen Meter lang. Das wäre an sich schon bemerkenswert, denn die Zitteraale galten bislang als Einzelgänger.

Was den Forscher vom Smithsonian’s National Museum of Natural History aber am meisten überrascht hat, war die Art und Weise, wie die Fischer der Art Electrophorus voltai zusammenarbeiten: Zunächst treiben sie ihre Beute – kleine, Tetras genannte Fische – zusammen, dann lösen sich vom Verband Grüppchen von rund zehn Zitteraalen, diese kreisen die Tetras ein und attackieren sie quasi auf Kommando mit Stromschlägen.

Jagen wie Wölfe

Dieses Verhalten, sagt de Santana, erinnere ihn an die Jagdstrategie von Wölfen oder Orcas. Dass es so etwas auch bei Zitteraalen gibt, sei „bemerkenswert“. Unter Säugetieren finde man ähnliches recht häufig, bei Fischen indes sei die Bildung von Jagdgesellschaften die Ausnahme. „Bisher kannten wir das nur von neun Fischarten, das macht den Fund noch spezieller.“

De Santanas Publikation im Fachblatt „Ecology & Evolution“ ist die jüngste in einer Reihe von Entdeckungen, die dem brasilianischen Forscher in den Gewässern Amazoniens gelungen sind. Er hat in den letzten Jahren 85 neue Fischarten mit elektrischen Organen entdeckt, darunter auch Electrophorus voltai, der Stromschläge von bis zu 860 Volt erzeugen kann – der höchste bisher bekannte Wert im Tierreich.

Wie sich der Elektroschock anfühlt

„Wenn man bedenkt, dass ein Individuum solche Spannungen erzeugen kann: Würden sich zehn von diesen Tieren gleichzeitig entladen, hätte man 8.600 Volt – das wäre genug um mehr als 100 Glühbirnen zum Leuchten zu bringen“, sagt de Santana. Wie sich das anfühlt, weiß der Zoologe auch zu berichten, wurde er doch vor einiger Zeit selbst von einem Zitteraal attackiert. Die Dauer des Schocks sei kurz – etwa 0,002 Sekunden. Aber stark genug, um einen Muskelkrampf auszulösen, der einen erwachsenen Menschen umwirft.

Wie de Santana in seiner Studie schreibt, liegen die Zitteraale die meiste Zeit des Tages und der Nacht regungslos auf dem Seeboden, ihre Ruhe allenfalls zum Luftholen an der Wasseroberfläche unterbrechend. Nur in den Dämmerstunden kommt Leben in den Schwarm – dann formieren sich die Einzeltiere zu Verbänden und machen sich auf die Suche nach potenzieller Beute. Auch solche, die sie einzeln nicht überwältigen könnten.

Bislang hat de Santana die elektrisch bewaffneten Schwärme nur an einem Ort in der Nähe des Rio Iriri entdeckt, er hält es für durchaus wahrscheinlich, dass er auch anderswo fündig werden könnte. Vorausgesetzt, die Lebensräume bleiben erhalten. Zitteraale sind zwar nicht vom Aussterben bedroht, aber ihre Habitate stehen durch die Umweltzerstörung in dieser Region unter enormem Druck.