Lemurenweibchen und Lemurenmännchen beim Kuscheln
David Haring, Duke Lemur Center
David Haring, Duke Lemur Center
Monogamie

Wenn Lemuren lieben

Zwei Lemurenarten – der Rotbauch- und der Mongozmaki – geben Wissenschaftlern Rätsel auf: Die Tiere leben in stabilen Zweierbeziehungen, doch ihr Hormonhaushalt scheint nicht zu diesem Verhalten zu passen. Warum sind sie dennoch monogam?

Für Vögel ist die Langzeitbeziehung zwischen Weibchen und Männchen der Standardfall, bei Säugern ist sie die Ausnahme. Etwa drei bis fünf Prozent aller Säugetierarten kennen so etwas wie eine fixe partnerschaftliche Bindung, alle anderen pflegen einen eher lockeren Umgang, „offene Beziehung“ könnte man es auch nennen.

Den (monogamen) Ausnahmefällen innerhalb der Säugetiergemeinschaft gilt das Interesse der US-amerikanischen Biologin Christine Drea – auch, weil man dadurch etwas über den Menschen erfahren könnte, der ist ja bekanntlich ebenfalls zu stabilen Beziehungen fähig, meistens jedenfalls. Hier bieten sich Lemuren als Untersuchungsobjekte an. Sie gehören wie wir Menschen zu den Primaten und bieten Anschauungsmaterial für beiderlei Beziehungsmodelle – nämlich Arten, für die ständige Partnerwechsel die Normalität sind, sowie solche, die monogam leben.

Monogamie im Gehirn verankert?

Sieben eng verwandte Arten der Lemuren, darunter die monogamen Rotbauch- und Mongozmakis aus Madagaskar, hat Drea nun in ihrem jüngsten Forschungsprojekt unter die Lupe genommen, um den evolutionären Ursprüngen der Zweierbeziehung auf die Spur zu kommen.

Das Vorhaben gelang nur bedingt, die in den „Scientific Reports“ publizierte Studie wirft eher neue Fragen auf, als dass sie Antworten liefert. Unklar ist vor allem die Rolle der beiden „Kuschelhormone“ Oxytocin und Vasopressin. Bei Mäusen gelten diese Botenstoffe als Anzeiger für die Bindungsfähigkeit, die monogame Präriewühlmaus hat etwa in ihrem Gehirn mehr Andockstellen für die beiden Hormone als ihre promisken Verwandten aus der gleichen Gruppe.

Drea hätte erwartet, dass dieser Unterschied auch bei den Lemuren zu finden ist, doch Fehlanzeige: Rotbauch- und Mongozmakis sind zwar durchaus kuschelig in ihrem Verhalten, Weibchen und Männchen weichen einander kaum von der Seite und verbringen jeden Tag stundenlang mit „Grooming“, also sozialer Körperpflege – nur unterscheidet sich ihr Hormonhaushalt so gut wie nicht von ihren einzelgängerischen Verwandten.

Auch neurologisch finden sich keine nennenswerten Unterschiede, sagt Drea. „Wir haben kein Paarbindungs-Netzwerk im Gehirn gefunden.“ Der Schluss daraus: Die Rolle der Kuschelhormone wurde offenbar überschätzt. „Es ist alles kompliziert“, resümiert Nicholas Grebe, der Erstautor der Studie.

Nicht nur die Hormone

Ähnlich dürfte es beim Menschen sein. Vor zehn Jahren fanden zwei Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen partnerschaftlicher Treue und der Gensequenz von Hormonrezeptoren. Was in einer Folgestudie nicht bestätigt werden konnte. Für Grebe ist das Anlass, Vorsicht walten zu lassen gegenüber allzu eindimensionalen Erklärungen. „Ich vermute, dass Oxytocin und Vasopressin auch beim Menschen eine gewisse Rolle spielen, wenn es um monogames Verhalten geht. Aber Biologie findet nicht im Vakuum statt, wir müssen auch die Kultur berücksichtigen. Und natürlich auch die Qualität der Beziehung, die Verfügbarkeit attraktiver Partner und so weiter – wie gesagt: Es ist kompliziert.“

Haben wir das nicht immer schon vermutet? Bei den Lemuren fällt jedenfalls die Kultur als Begründung für etwaige Komplikationen flach. Drea tippt, dass man in diesem Fall eher im ökologischen Umfeld fündig werden könnte. „Da ist mehr im Gange, als wir uns gedacht haben“, sagt die Biologin von der Duke University. Bevor sie sich dem Unbekannten zuwendet, will sie den Lemuren Hemmstoffe für Oxytocin und Vasopressin verabreichen – und nachsehen, ob sie dann immer noch so kuschelig sind.