Frauen und Männer mit FFP2-Maske in der Wiener Mariahilferstraße
ALEX HALADA/AFP
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Covid-19

Sterberate fiel in der zweiten Welle

Mathematiker haben die Erkrankungswelle im Frühjahr mit jener von Herbst und Winter verglichen – und sehen einen positiven Trend: Der Anteil der Todesfälle ging europaweit deutlich zurück, vor allem in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden. In Deutschland und Österreich fielen die Sterberaten ebenfalls.

Grundsätzlich ist es eine gute Nachricht, was der australische Mathematiker Max Manzies in seiner jüngsten Studie zu berichten hat. Die von ihm und seinem Team entwickelte neue Berechnungsmethode ändert freilich nichts an den Unsicherheiten, die sich bei der Interpretation der Zahlen ergeben.

Dass die Zahl von Todesfällen relativ zu Erkrankungen deutlich zurückgegangen ist, kann unterschiedliche Gründe haben: Erstens, weil sich in der zweiten Welle mehr Jüngere als Ältere angesteckt haben und es daher zu weniger schweren Krankheitsverläufen kam. Zweitens, weil sich die Therapien im Verlauf des letzten Jahres wohl verbessert haben.

Verzerrung durch Dunkelziffer

Und nicht zuletzt dürfte während der ersten Welle auch die Zahl der Infektionen unterschätzt worden sein. Letzteres „war vermutlich der wichtigste Faktor“, sagt Menzies im Gespräch mit dem ORF. Um ein statistisches Artefakt handle es sich bei der Analyse gleichwohl nicht. „Wenn wir die Dunkelziffer zu Beginn der Pandemie berücksichtigen, sehen wir immer noch einen Unterschied zwischen erster und zweiter Welle. Der Trend ist real.“ Anzeichen dafür hatten sich bereits im Oktober gezeigt, nun ist die Datenlage solider.

Karte Europas zeigt die Entwicklung der Sterblichkeitsrate von der ersten zur zweiten Welle in Europa
Nick James et al.
Erste vs. zweite Welle: Entwicklung der Sterberate

Technisch gesprochen beziehen sich Manzies und sein Team auf die Entwicklung der Fallsterblichkeit ("case fatality rate“, CFR), also die Zahl der Todesfälle pro gemeldete Erkrankungen. Demnach ist die Sterberate in Frankreich von der ersten zur zweiten Welle um den Faktor 13,7 gefallen, also um etwa 92 Prozent. Ebenfalls drastisch war der Rückgang in Dänemark und den Niederlanden (minus 93 bzw. 94 Prozent). In Österreich fiel die relative Sterblichkeit nicht ganz so stark, auf ungefähr ein Viertel des Ausgangswertes (minus 76 Prozent). Ähnlich war der Rückgang in Deutschland (minus 72 Prozent), Schweden (73) und Italien (81).

West-Ost-Gefälle in Europa

Einzige Ausnahme in Europa ist Belarus, wo es im gleichen Zeitraum zu einem Anstieg der relativen Sterblichkeit kam. Ansonsten liegt das zwischen Polen und der Ukraine gelegene Land durchaus im geografischen Trend, laut Analyse gibt es in Europa nämlich ein West-Ost-Gefälle: Die wohlhabenden Länder im Westen konnten die Fallsterblichkeit (CFR) offenbar stärker senken. Ähnliches gilt für die USA. Dort waren es die Bundesstaaten im Nordosten, die einen besonders positiven Trend verzeichnen konnten.

Grafik: Mortalitätsrate Februar 2020 bis März 2021 in Österreich und Deutschland im Vergleich
Nick James et al.
Sterberate Österreich und Deutschland im Vergleich: Jeder Datenpunkt erfasst 30 zurückliegende Tage

Die jüngsten Entwicklungen decken die australischen Forscher mit ihrer Studie nicht ab, ihre Statistiken enden mit Stichtag 25. November. Manzies und seine Kollegen haben in der Zwischenzeit aber neue, unpublizierte Berechnungen durchgeführt, sie zeigen: Der Trend riss nicht ab, die Sterberate lag bis zum 15. März immer noch deutlich unter dem Wert der ersten Welle. Das zweite Maximum trat in den meisten europäischen Ländern Ende Dezember bzw. Anfang Jänner auf, seitdem fallen die neu gemeldeten Todeszahlen (siehe Grafik oben).

Wie geht es weiter?

Das kann auch Barbara Nußbaumer-Streit vom Zentrum Cochrane Österreich bestätigen: „In Österreich steigen die Erkrankungen zwar wieder an, aber die neu hinzukommenden Sterbefälle sinken immer noch.“ Ob das so bleiben wird, ist freilich ungewiss: Sollte die Zahl der Neuinfektionen weiterhin zunehmen, könnte auch die Mortalitätskurve auf einen Wendepunkt zusteuern. Letztlich wird es wohl darauf hinauslaufen, wie sich das Kräfteverhältnis zwischen negativen und positiven Einflüssen entwickelt, als da wären: neue Virusvarianten sowie steigende Ansteckungszahlen auf der einen Seite und Impfungen sowie frühlingshafte Temperaturen auf der anderen.

Sich nur auf die die saisonalen Schwankungen der Pandemie zu verlassen, werde jedenfalls zu wenig sein, sagt Nußbaumer-Streit. „Maßnahmen sind immer nur so gut, wie sehr die Leute mitmachen. Wir haben es selbst in der Hand.“ Mit Maß und Ziel, so betont die Public-Health-Expertin von der Uni Krems, sei in der Pandemie sehr wohl ein Sozialleben möglich. „Große Partys sollte man bleiben lassen, aber es spricht nichts gegen ein Treffen mit ein paar Freunden im Freien. Das könnte sich übrigens auch positiv auf die Qualität der Gespräche auswirken.“