Ein Mädchen hält eine Zahnbürste mit Zahnpasta
APA/dpa/Patrick Seeger
APA/dpa/Patrick Seeger

Mit der Zahnbürste gegen das Virus

Über Mund und Nase gelangt SARS-CoV-2 in den Atemtrakt und letztlich in die Lunge: Diesem gängigen Ausbreitungsweg setzten britische Zahnmediziner nun ein neues, noch nicht überprüftes Modell gegenüber. Das Virus könne direkt über die Blutbahn aus dem Mund in die Lunge wandern – Zahn- und Mundhygiene seien bisher unterschätzte Gegenmittel.

Zähne putzen, Zahnseide verwenden und Mund spülen könnten das Risiko verringern, dass das Virus in die Lunge gelangt, und damit auch das Risiko schwerer Krankheitsverläufe, berichtet ein Team um den Zahnmediziner Ian Chapple von der Universität Birmingham. Das neue Ausbreitungsmodell haben die Forscher in einem Artikel vorgestellt, der soeben im „Journal of Oral Medicine and Dental Research“ erschienen ist. Empirisch überprüft ist es noch nicht.

Entzündetes Zahnfleisch als Gefahr

Die Idee für das Modell: Speichel im Mund ist ein Reservoir für SARS-CoV-2, jede Verletzung seiner Immunabwehr erleichtert dem Virus, über Zahnfleisch und Alveolen in die Blutgefäße einzudringen – speziell bei Entzündungen, wie etwa bei Parodontitis. Über die Blutgefäße im Mund könnte das Virus über Venen im Hals- und Brustbereich zum Herz gelangen, dort in die Lungenarterien gepumpt werden und somit in die Lunge kommen. Für die Theorie würden radiologische Befunde sprechen, wonach die Blutgefäße in Lungen von Covid-19-Patienten besonders hohe Virenlasten zeigen, und auch dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Parodontitis und Covid-19-Todesrisiko.

„Dieses Modell könnte erklären, warum manche Menschen erkranken und andere nicht“, sagt Ian Chapple in einer Aussendung der Universität Birmingham. „Es könnte auch unseren Umgang mit der Erkrankung verändern.“ Heißt konkret: zur Vorbeugung achtsam Zähneputzen, die Ablagerungen zwischen den Zähnen mit Zahnseide beseitigen und Zahnfleischentzündungen mit Mundspülungen bekämpfen. Damit könne die Virenlast im Speichel verringert werden und damit auch das Risiko schwerer Krankheitsverläufe. Anekdotische Evidenz dazu laut Artikel: In Japan empfahl die Regierung eine antivirale Mundspülung, das könne zu den vergleichsweise niedrigen Todeszahlen des Landes beigetragen haben.

Generell sprechen die Forscher viel im Konjunktiv, denn ihr Vorschlag ist theoretischer Natur. Studien, die ihn bestätigen oder widerlegen, gibt es noch nicht, sie seien aber „dringend notwendig“. Möglich sei das etwa durch die Messung der Virenlast in den Halsvenen Infizierter. Auch wenn ihre Theorie noch nicht überprüft ist, empfehlen die Forscher jetzt schon, mehr Augenmerk auf Zahnhygiene zu legen – sie könne in der Pandemie Leben schützen.