Juckreiz: Frau kratzt sich am Unterarm
Maria Fuchs – stock.adobe.com
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Neurodermitis

Forscher entwickeln „Juckometer“

Juckreiz, Rötungen, rissige Haut: Die Symptome von Neurodermitis können quälend sein – objektiv messen ließen sich die Beschwerden bisher nicht. Abhilfe schafft nun ein neuartiger Sensor aus den USA.

In den USA leiden etwa zehn Millionen Kinder unter Neurodermitis, auch bekannt als atopisches Ekzem. Juckreiz und ständiges Kratzen – dieser Aspekt der Krankheit sei wohl bekannt, sagt Shuai Xu, Dermatologe an der Northwestern University in Illinois. „Aber das atopische Ekzem ist viel mehr als das: Es handelt sich um eine Krankheit, die die Lebensqualität massiv verschlechtert. Ekzeme können so belastend sein wie chronische Schmerzen.“

Untersuchungen zeigen etwa, dass Neurodermitis-Patienten und -Patientinnen zu Selbstmordgedanken neigen und wegen des ständigen Juckreizes schlecht und wenig schlafen. Pro Woche verlieren die Betroffenen eine ganze Nacht. Das zehrt an den Nerven und hemmt auch die geistige Leistungsfähigkeit. Nicht zuletzt bei Kindern, die den Schlaf für ihre kognitive Entwicklung nötig hätten.

Sensor registriert Kratzbewegungen

Um Patienten je nach Schwere des Leids behandeln und neue Medikamente testen zu können, bräuchte es ein objektives Maß für den Juckreiz. Nur: Wie misst man Jucken? Shuai Xu hat nun eine Lösung für dieses Problem gefunden: ein Gerät, das den Reiz indirekt bestimmt, durch Aufzeichnung der Kratzbewegungen der Hand.

EXperiment: Kind liegt schlafend im Bett, an der Hand trägt es einen Sensor
Jan-Kai Chang
Der Praxistest erfolgte an schlafenden Kindern

Wie der US-Forscher und sein Team nun im Fachblatt „Science Advances“ schreiben, besteht der „Juckometer“ aus flexibler, tragbarer Elektronik inklusive eines Bewegungssensors, der an lernfähige Algorithmen gekoppelt wurde. Letztere sind deshalb nötig, weil die Software die oft unbewussten Kratzbewegungen von anderen Bewegungen der Hand unterscheiden können muss, um eine verlässliche Quantifizierung liefern zu können.

Dass das klappt, haben Xu und sein Team bei zwei Arten von Experimenten unter Beweis gestellt. Das Gerät wurde zunächst an Erwachsenen geeicht, der Praxistest erfolgte dann an schlafenden Kindern: Mit Hilfe einer Infrarotkamera im Schlafzimmer konnten die US-Forscher sicherstellen, dass das Gerät die richtigen Bewegungen als „Kratzen“ interpretiert.

„Die Vermessung des Juckreizes bei Neurodermitis-Patienten ist ähnlich wichtig wie die Bestimmung des Blutzuckers bei Diabetikern“, sagt Xu. Anwendungen sieht der Dermatologe vor allem bei Patientinnen und Patienten, denen es schwerfällt, ihr Leid in Worte zu fassen. „Wenn wir Medikamente entwickeln wollen, müssen wir auch überprüfen können, ob sie wirken“, sagt Co-Autorin Amy Paller von der Northwestern University. „Dieser Sensor könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.“