Stubacher Sonnblickkees
Andrea Fischer
Andrea Fischer
Gletschertagebuch

Guter Frühling für die Gletscher

Seit Jahren setzt die Erderwärmung den heimischen Gletschern enorm zu: Große Eisflächen gingen verloren, das Tauwetter beginnt zunehmend früher. Wie Andrea Fischer und Hans Wiesenegger im aktuellen Gletschertagebuch berichten, gibt es heuer wieder einmal gute Nachrichten: Die Niederschläge im April boten den Gletschern Sonnenschutz.

In den letzten Jahren war der Frühling eher für die Menschen gemacht: Es gab längere Schönwetterperioden mit Prachtwetter zum Grillen schon im März und erste Tage mit Badewetter im April. Im Jahr 2021 erleben wir einen Frühling wie früher: Im März fällt oft Schnee, und der April macht, was er will, und das ist mindestens einmal am Tag mit Niederschlägen verbunden. Die Gletscher präsentieren sich Ende April noch tiefwinterlich. Die Tourengeher finden noch Pulverschnee vor und nicht wie im Großteil der letzten 20 Jahre eine Schicht grobkörnigen und sandigen Harsches auf einer bereits durchfeuchteten Altschneedecke. Ein Frühling also wie gemacht für unsere Gletscher!

Porträtfotos von Andrea Fischer und Hans Wiesenegger
Fischer/Wiesenegger

Über Autorin und Autor

Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hans Wiesenegger, Leiter des Hydrographischen Dienstes (HD) des Landes Salzburg.

Im Frühling steigt die Sonnenscheindauer recht schnell an, damit beginnt die entscheidende Zeit für die Schmelze von Schnee und Eis. Stellen sich langanhaltende Hochdrucklagen ein, bilden sich an der Oberfläche grobkörnige Schmelzharschschichten aus, und die während des Tages feuchte Oberfläche nimmt wesentlich mehr Energie auf als es Neuschnee macht. Auch wenn die täglichen Niederschläge des April 2021 oft nur wenige Zentimeter Schnee ausmachen, ist das genau die richtige Dosis an Sonnenschutz, die den Schnee konserviert.

Auch Saharastaub und Staub aus der Umgebung führen unter diesen Bedingungen nicht zu der sonst üblichen Verdunklung der Oberfläche. Die gletscherfreundlichen Jahre der 1970er und 1980er haben diese Verhältnisse über den ganzen Sommer beibehalten – wie es Rudi Carell in seinem Hit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ aus dem Jahr 1975 beschreibt. Gerade in den Frühlingsmonaten sind die Temperaturen durch die Klimaerwärmung mittlerweile besonders stark angestiegen. Auch wenn der März 2021 kühler war als das Mittel der letzten 30 Jahre, so war er dennoch wärmer als das Mittel 1961 bis 1991, wie im Klimabericht der ZAMG nachzulesen.

Regional starke Schneefälle

Der letzte Herbst war noch „Business as usual“ in Zeiten der Klimaerwärmung: Die Gletscher starteten Ende September meist ohne Schneebedeckung in den Herbst, auch das ein Phänomen der ersten Dekaden des 21. Jahrhunderts. Anhaltende Südwetterlagen brachten dann aber viel Schnee für die Gletscher des Alpensüdrandes. Die Kehrseite für die Täler waren Straßensperren und anhaltende Lawinengefahr in den Tallagen Kärntens und Osttirols.

Hohe Tauern
Martin Stocker-Waldhuber
Hohe Tauern

Auf den Gletschern, die ihren Niederschlag von Nordstaulagen beziehen, fanden die Niederschläge allerdings wesentlich später statt und fielen deutlich geringer aus. Im November, März und April sind die Niederschläge an den Gletschern unterdurchschnittlich ausgefallen, im Oktober, Dezember, Jänner und Februar fiel besonders an der Alpensüdseite und Teilen des Hauptkammes extrem viel Niederschlag.

Schwierige Winterbegehung

Auch heuer war die Winterbegehung am Stubacher Sonnblickkees aufgrund der fehlenden Seilbahnunterstützung logistisch deutlich anspruchsvoller und aufwendiger als in der Zeit vor der CoV-Pandemie. Die am 24. April durchgeführten Messungen ergaben eine mittlere Schneehöhe von 4,20 Meter am gesamten Gletscher und liegen damit im Bereich des Mittels der letzten fünf Jahre.

Bild-Vergleich der Schneehöhen 2019 – 2021 am Totalisator Stubacher Sonnblickkees
Hans Wiesenegger, Andreas Gschwentner
Bild-Vergleich der Schneehöhen 2019 – 2021 am Totalisator Stubacher Sonnblickkees

Im Nahbereich des auf rund 2.500 Meter Seehöhe gelegenen Totalisators liegt ebenso durchschnittlich viel Schnee, im Vergleich zum Vorjahr jedoch rund ein Meter mehr.

Der Jamtalferner liegt an der Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg und ist somit der westlichste Massenbilanzgletscher Österreichs. Den Großteil des Schnees bezieht dieser Gletscher aus Nordstaulagen, die im Winter 2020/21 nicht allzu häufig aufgetreten sind. Trotzdem zeigten die Messungen der Winterbilanz am 20. April eine für die letzten Jahre durchschnittliche Schneedecke. Ungewöhnlich für die letzten zwei Jahrzehnte ist die Schneegrenze, die noch bis ins Siedlungsgebiet von Galtür (1.600 m) hinunterreicht.

Noch scheint der Sommer in weiter Ferne, auch in den Langfristprognosen ist noch kein richtiger Sommer‘ a la Rudi Carell in Sicht. Das kann sich allerdings schnell ändern! Ein detaillierter Überblick über die Winterbilanzen in Österreich und den Nachbarländern erfolgt Anfang Juni.