Labor: Proband mit Exoskelett auf einem Laufband
Queen’s University Faculty of Engineering and Applied Science
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technologie

Exoskelett macht Menschen zu Super-Gehern

Kann man beim Gehen Kraft sparen und gleichzeitig elektrische Energie erzeugen? Das ist kein Widerspruch, berichten kanadische Forscher und Forscherinnen: Ein neuartiges Exoskelett macht es möglich.

Im Film „Exo-Man“ aus dem Jahr 1977 war das Motiv noch unverbraucht, mittlerweile gehört es zum Standardrepertoire der Science-Fiction: Helden und Anti-Helden, die ihre übermenschlichen Kräfte von einem künstlichen Außenskelett beziehen, finden sich in dutzenden Kinofilmen von Avengers bis Wolverine – und gar so phantastisch ist das alles eigentlich nicht, wenn man sich die Fortschritte in diesem Forschungsgebiet ansieht.

Zugegeben, was da in den letzten Jahren an namhaften Instituten entwickelt wurde, bleibt alles im Rahmen der Physik, Verbesserungen der menschlichen Biomechanik sind es dennoch. So gibt es etwa Exoskelette für Querschnittgelähmte, Exoskelette, die das Heben schwerer Lasten ermöglichen, und Exoskelette, die Sportler zu mehr Ausdauer verhelfen.

Doppelter Energiegewinn

Aus Sicht der Energiebilanz lassen sich die Systeme in zwei Gruppen teilen: solche, die Bewegungen unterstützen, und solche, die elektrische Energie aus der Bewegung gewinnen. Ein Team um den Materialforscher Michael Shepertycky hat jetzt im Fachblatt „Science“ ein Exoskelett vorgestellt, das beides kann. Es vermindert den Kraftaufwand beim Gehen und konvertiert außerdem Bewegungsenergie in Elektrizität, die dann in einem Akku gespeichert wird.

Das klingt schon verdächtig nach einem Perpetuum mobile, das die Grundprinzipien der Thermodynamik aushebelt – ist es natürlich nicht. Tatsächlich handelt es sich bei dem Gerät der Queen’s University in Kingston, Kanada, um eine Vorrichtung, die Schwachpunkte im Bewegungsablauf des Gehens ausgleicht. Als solchen haben Shepertycky und sein Team die letzte Schwungphase des Knies ausgemacht.

Kurz bevor der Fuß den Boden berührt, müssen die Muskeln nämlich die Bewegung abbremsen – und das ist der Punkt, wo Hilfsmittel einen energetischen Vorteil bringen. Bei dem Exoskelett unterstützt ein künstlicher Beinbeuger die Bremsphase, das bringt in Summe eine Energieersparnis von 3,3 Prozent, wie die Forscher in ihrer Studie vorrechnen. Die per Generator eingespeiste Leistung beträgt wiederum 0,25 Watt. Soweit die Bilanz aus energetischer Sicht.

Vision: Künstliche Sinnesorgane

Was man mit dem Gerät tun kann, ist indes nicht so klar. Forscher um Raziel Riemer von der Ben-Gurion-Universität des Negev, Israel, deuten in einem Begleitartikel Anwendungen für Such- und Rettungsteams an, möglich wäre laut Riemer auch, dass Menschen in Entwicklungsländern mit Hilfe solcher Geräte ihren Strombedarf decken könnten.

Wie praxisrelevant das ist, sei dahingestellt, interessanter ist in diesem Zusammenhang wohl die Vision, die der israelische Biomechaniker in seinem Text entwirft: Ihm zufolge werden Exoskelette der nächsten Generation künstliche Sinnesorgane mit künstlicher Intelligenz verschmelzen und dadurch den menschlichen Körper auf eine neue Stufe der Evolution hieven. Das hat schon Anklänge von Hollywood – als Filmmotiv hätte das Exoskelett wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt seinen Reiz verloren.