Alter Mann in Tokio
AFP/KAZUHIRO NOGI
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Langlebigkeit

Das Mikrobiom der Hundertjährigen

Das Geheimnis gesunder Hundertjähriger könnte in ihrem Darm liegen. Bestimmte Bakterien leben dort häufiger als bei jüngeren Menschen. Laut japanischen Forscherinnen und Forschern schützen diese die Hochbetagten besonders gut vor bestimmten Krankheiten.

Nur wenige Menschen werden uralt und erreichen ein Alter von über 100 Jahren. Dabei sind sie oft noch fit und gesund, während andere bereits Jahrzehnte früher unter chronischen Krankheiten leiden. Was ist ihr Geheimnis? Sicher ist, dass man dieses Schicksal nicht ganz selbst in der Hand hat, auch wenn ein Lebensstil mit wenig Stress, einem glücklichen Sozialleben, gesunder Ernährung und viel Bewegung sicher hilfreich ist.

Ob man lang lebt, liegt aber auch am Erbgut. Wobei der genetische Einfluss womöglich viel geringer ist als gedacht. So kam eine Studie vor drei Jahren zum Schluss, dass die Lebensdauer zu weniger als zehn Prozent von den Genen vorbestimmt ist; nicht zu 20 bis 30 Prozent, was zuvor die gängige Lehrmeinung war. Andere beliebte Erklärungen wie etwa sogenannte Langlebigkeitsinseln – also Orte, wo besonders viele extrem alte Menschen leben, z.B. Sardinien oder Okinawa in Japan – sind in der Altersforschung eher umstritten.

Mikrobiom altert ebenfalls

Auf der Suche nach neuen Antworten für die großen Unterschiede bei der Lebenserwartung ist seit Kurzem auch das Mikrobiom in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Wie wichtig die zahllosen Bakterien im und am menschlichen Körper – z.B. im Darm, im Mund und auf der Haut – für die Krankheitsabwehr und die Gesundheit sind, wird zunehmend klar. Bei der Alterung könnten sie ebenfalls eine maßgebliche Rolle spielen.

Wie die Forscherinnen und Forscher um Yuko Sato von der japanischen Keio Universität in ihrer soeben in „Nature“ erschienenen Studie schreiben, hänge der Gesundheitszustand von älteren Menschen unter anderem von den Veränderungen bei den Darmbakterien ab. Der Stoffwechsel, die Knochengesundheit, die Immunabwehr sowie neurologische Funktionen werden dadurch beeinflusst.

Wie sehr sich die Besiedelung des Darms im Lauf des Lebens ändert, zeigt eine heuer im Fachmagazin „Nature Metabolism“ publizierte Studie. Dafür wurde das Mikrobiom von 9.000 Menschen zwischen 18 und 101 Jahren verglichen. Die Forscher haben unter anderem festgestellt, dass bei gesunden Menschen, die über 77 Jahre alt sind, zuvor häufige Bakterien weniger werden, seltene Arten werden hingegen mehr. Dadurch entstehen mehr entzündungshemmende Stoffwechselprodukte.

Häufung nützlicher Keime

Auf einen ähnlichen Zusammenhang ist nun die Gruppe um Yuko Sato gestoßen. Sie hat Stuhlproben von Japanern und Japanerinnen analysiert: 47 junge Personen (21 bis 55 Jahre), 112 ältere Menschen (85 bis 89 Jahre) und 160 Über-Hundertjährige, in Japan gibt es generell überdurchschnittlich viele sehr alte Personen.

Im Darm der Hundertjährigen waren manche Bakterienarten deutlich häufiger zu finden als bei den Jüngeren. Diese Mikroben sind an der Bildung sekundärer Gallensäuren im Darm beteiligt. Laut den Forschern sind die Säuren wiederum wichtig für diverse biologische Abläufe, etwa beim Stoffwechsel und der Immunabwehr. Experimente im Labor und mit Mäusen bestätigten die starke antimikrobielle Wirkung gegen weit verbreitete Pathogene, z.B. solchen, die Durchfall auslösen.

Die Häufung der nützlichen Bakterien könnte mit den Genen, aber auch mit dem Lebensstil oder der Ernährung zu tun haben, schreiben die Autoren. In Zukunft kann man die gesundheitsfördernden Effekte solcher Mikroben womöglich aber auch therapeutisch nützen.