Die sogenannte Phasenkurve beschreibt die reflektierte Sonnenstrahlung eines Himmelskörpers, die sich mit dem ändernden Blickwinkel von der Erde ebenso verändert. Die Formen dieser Kurven liefern unter anderem Hinweise auf die Oberflächen und Atmosphären von Monden und Planeten.
Überprüfung an Exoplaneten gelungen
Der theoretische Astrophysiker Kevin Heng von der Universität Bern ermittelte nun einen ganzen Strauss neuer mathematischer Formeln, um solche Phasenkurven sowie die Stärke der Reflexion zu berechnen – auf Papier, ohne die Hilfe eines Computers. Die Formeln präsentierte er gemeinsam mit Kollegen am Montag im Fachjournal „Nature Astronomy“.
Er sei verblüfft gewesen, wie gut seine „Stift-und-Papier“-Berechnungen mit Computerberechnungen übereinstimmen würden, sagte Heng. Die neue Methode demonstrierten die Forschenden anhand von realen Daten des Exoplaneten Kepler-7b, der um einen sonnenähnlichen Stern im Sternbild Leier kreist.
Rasche Daten-Interpretation
„Aufregend finde ich nicht nur die Entdeckung einer neuen Theorie, sondern auch ihre großen Auswirkungen auf die Interpretation von Daten“, so Heng. So gelang es ihm gemeinsam mit einem Kollegen, die von der Raumsonde Cassini in den 2000er-Jahren gemessenen Phasenkurven von Jupiter zu interpretieren. Bisher hatte man auf die Analyse verzichtet, wohl wegen der zu ressourcenintensiven Berechnungen, schrieb die Uni Bern. Gemäß den mit der neuen Methode durchgeführten Berechnungen sei Jupiters Atmosphäre mit Wolken gefüllt, die aus großen, unregelmäßigen Partikeln verschiedenster Größen bestehen, berichten die Forschenden im Fachmagazin „Astrophysical Journal Letters“.
Die Berner Forschenden arbeiten derzeit mit Kollegen des amerikanischen Weltraumteleskops TESS zusammen, um dessen Phasenkurvendaten zu analysieren. Heng glaubt außerdem, dass sich die Analyse der Daten des James-Webb-Weltraumteleskops, das im Herbst 2021 ins All gebracht werden soll, verändern wird.
Gemeinsam mit dem Mathematiker Pierre Auclair-Desrotour vom Pariser Observatorium arbeitet Heng daran, die Formeln weiter zu verallgemeinern. Und geht davon aus, dass „die Formeln ihren Weg in Standard-Lehrbücher finden und wahrscheinlich noch lange nach meinem Tod gültig sein werden".