Mehrspuriger Stau auf einer Autobahn
AFP – PHILIPPE DESMAZES
AFP – PHILIPPE DESMAZES
Klimaerwärmung

Weit ab vom Klimapfad

Mit den derzeit zugesagten Klimaschutzmaßnahmen steuert die Welt laut UNO auf ein Plus von 2,7 Grad Celsius bis 2100 zu – weit über den Pariser Klimazielen. Relativ gut auf „Paris-Kurs“ liegen der Energiesektor, sehr schlecht hingegen Verkehr und Landwirtschaft. Und aktuell erreicht nur ein Staat die Pariser Klimaziele: Gambia.

Das zeigt der Climate Action Tracker des NewClimate Institute. Der westafrikanische Staat würde wenig emittieren und hätte sich dennoch bereit erklärt, seine Emissionen mit finanzieller Unterstützung der Industrieländer zu senken, erklärt der Klimaforscher Niklas Höhne.

Die Ziele anderer Länder des Globalen Südens wie etwa Marokko, Nigeria oder Kenia werden zumindest als „fast ausreichend“ eingestuft. Die Klimaschutz-Anstrengungen der Industriestaaten seien bis auf jene Großbritanniens hingegen unzureichend. „Weil bei denen ist es sehr klar, dass sie die eigenen Emissionen reduzieren müssen“, sagt Höhne. Zudem müssten sie auch finanzielle Mittel bereitstellen, um ärmere Länder beim Klimaschutz zu unterstützen. „Und da sind die Industrieländer derzeit noch weit entfernt.“

Gambia als einziger Staat auf der Landkarte hervorgehoben
Climate Action Tracker

Schifffahrt und Flugverkehr: „Nichts passiert“

Ebenfalls weit entfernt von den Pariser Klimazielen sind die beiden Sektoren internationale Schifffahrt und Flugverkehr. Laut Klimaabkommen liegt es in der Verantwortung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation und der Seeschifffahrtsorganisation Emissionen zu reduzieren.

„Und leider ist in den letzten 20 Jahren überhaupt nichts passiert“, sagt Niklas Höhne. „Man hat die Industrie gefragt, sich selbst zu regulieren und das hat nicht funktioniert.“ Zwar gebe es Bestrebungen einzelner Unternehmen klimaneutral zu werden, die Ziele der internationalen Organisationen seien jedoch alles andere als ausreichend.

Transformationspfade bis 2030

Wie es in anderen Sektoren aussieht, zeigt der aktuelle State of Climate Action 2021 Report. Von den vierzig Indikatoren, die analysiert wurden, befindet sich kein einziger „auf Schiene“. Um die Transformation hin zu einer dekarbonisierten Gesellschaft zu bewältigen, müssen Innovationen einen S-förmigen Verlauf nehmen. Sie müssen den Weg raus aus der Nische finden, exponentiell wachsen und sich als neue Normalität stabilisieren.

Obwohl das derzeit noch in keinem Bereich gelingt, gebe es doch Sektoren, die sich gut entwickeln und das Potenzial exponentiellen Wachstums aufweisen, berichtet Höhne, der am Report mitgearbeitet hat. Erneuerbare Energien beispielsweise seien mittlerweile sehr günstig geworden. „Hier ist quasi ein Schalter umgelegt. Wenn man jetzt neue Stromversorgung plant, dann plant man erneuerbare und nicht mehr fossile.“

Screenshot des Climate Action Tracker
Climate Action Tracker

Auch gebe es Fortschritte in Bereichen, wo man noch vor Jahren davon ausgegangen sei, sie nicht dekarbonisieren zu können, wie die Zement- und Stahlherstellung beispielsweise. In einzelnen Pilotanalgen werde bereits mit grünem Wasserstoff Stahl produziert. „Das kann noch nicht mithalten mit der globalen Stahlproduktion. Aber allein die Anzahl hat sich vervielfacht in den letzten Jahren von solchen Projekten. Und das stimmt mich hoffnungsvoll.“

Wo es eine Trendwende braucht

In die völlig falsche Richtung gehe es derzeit jedoch im Verkehr, berichtet der Klimaforscher „Es geht immer mehr hin zur individuellen Mobilität, mehr zum Auto. Und das ist genau das Falsche.“ Hier brauche es einen radikalen Kurswechsel und einen Umstieg auf öffentlichen Verkehr und die Bahn, um auf „Paris-Kurs“ zu kommen.

Ähnliches gilt für die Landwirtschaft. Hier steigen die globalen Emissionen weiterhin, statt zu sinken. Und auch was die Klimafinanzierung angeht, braucht es mehr Anstrengungen. Derzeit wird mehr Geld in fossile Brennstoffe investiert als in den Klimaschutz.

Datenlücke

Bei einigen Indikatoren stehen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern derzeit noch zu wenig Daten zur Verfügung, um gesicherte Aussagen treffen zu können. Das betrifft beispielsweise die Frage der Nachrüstung von Gebäuden, die Erhaltung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten und die Reduktion von Lebensmittelabfällen.