Oberer Grindelwald Gletscher und Schreckhorn in den Berner Alpen
FAU/Christian Sommer
FAU/Christian Sommer

Laserbilder zeigen unsichtbare Gletscher

Mit der Klimaerwärmung schmelzen die Gletscher. Bei manchen verbergen sich die letzten Eisreste unter Geröll. Um diese unsichtbaren Gletscher dennoch zu messen, setzen Forscherinnen und Forscher rund um das Silvrettagebirge nun eine neue Methode ein – hochpräzise Laseraufnahmen.

So wie die meisten der rund 1.000 Gletscher in den österreichischen Alpen setzt die Erderwärmung auch den Eiskappen in der Silvretta zu, an der Tirol, Vorarlberg und die Schweiz Anteile haben. Drei Gletscher auf österreichischer Seite dieses Gebirgszugs sind seit 2006 komplett abgeschmolzen: Der Fluchthornferner Süd, der Litzner Gletscher Ost und eine dritte Eismasse, die nur eine wissenschaftliche Bezeichnung hatte, erklärte Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck. 43 gibt es noch im Silvrettagebirg, doch davon sind nur noch 33 durch sichtbares Oberflächeneis erkennbar – der Rest ist unter Geröll verborgen. In den nächsten 15 Jahren wird dort auch der Jamtalferner verschwinden, immerhin einer der 30 größten Gletscher Österreichs.

Der Gletscher V am Schnapfenkuchl in den österreichischen Alpen im Vergleich 1954 und 2020
data.gv.at/Montage
Der Gletscher V am Schnapfenkuchl im Vergleich 1954 und 2020

Silvrettagletscher stark geschmolzen

In früheren Gletscherinventaren war es durch den hohen Anteil an blankem Eis relativ einfach, die Gletscher klar abzugrenzen, etwa mit Luftaufnahmen, sogenannten „Orthofotos“. Doch die Eismassen werden immer kleiner und von Geröll bedeckt. „Sie werden nach und nach unsichtbar, einem Laien würden sie vielfach gar nicht mehr auffallen“, sagte Fischer, Mitverfasserin des Gletschertagebuchs auf science.ORF.at. Erstmals hat sie mit Kolleginnen und Kollegen nun ein Gletscher-Inventar vorgelegt, das auf zwei Datensätzen von hochpräzisen Laser-Scans („LiDAR“) der Silvrettaregion basiert. Damit hat sie festgestellt, dass die Fläche der Silvrettagletscher seit 2006 um rund ein Drittel zurückgegangen ist.

Abschmelzen des Fluchthornferners

Solche Scans werden mithilfe von laserbestückten Flugzeugen erzeugt, die das Gelände sehr genau vermessen. „Von allen Verfahren zur Erzeugung von digitalen Höhenmodellen ist LiDAR mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern und einer Auflösung von einmal ein Metern das bei weitem genaueste Verfahren“, betonte Fischer die Vorteile etwa gegenüber Radar-Methoden, wie sie von Satelliten aus eingesetzt werden. Mit diesen erhalte man etwa 50-mal-50-Meter-Pixel, „da hat man auf einem österreichischen Gletscher in der Breite drei Pixel, da sehe ich keine Details“. Durch die Laser-Scans werden dagegen die Bewegung und die Schmelze der verborgenen Eisflächen sichtbar, wie Fischer mit Kollegen im Fachjournal „The Cryosphere“ berichtet.

Immer mehr unsichtbare Gletscher

Auch mit Orthofotos, die mit einer Auflösung von 0,5 Metern gar nicht so schlecht seien, sei diese präzise Modellierung der Oberfläche wie durch das Laserscan-Höhenmodell nicht möglich. Dabei gebe es wesentlich größere Fehler, speziell wenn es um die Detektion dieser verborgenen Eisreste geht.

Und die Zahl dieser unsichtbaren Gletscher nimmt zu, verweist Fischer auf die im Vergleich etwa zur Großglocknerregion oder den Westalpen tiefer gelegenen Silvrettagletscher, weshalb dort das Abschmelzen rascher vonstattengehe. Das oberflächliche Verschwinden des Eises mache es aber zunehmend schwieriger, seine weitere Entwicklung zu beobachten.

Entwicklung des Bieltalferners

Gletscherreste als Gefahr

Dabei sollte man „auch die Gletscherreste nicht aus den Augen verlieren“, mahnt Fischer. Denn die schuttbedeckten Eisreste können das Gelände destabilisieren und das Aufkommen von Vegetation verlangsamen. „Das Abgleiten des Schuttes auf den Gletscherresten und ausbrechende Wasseransammlungen können zu Muren und Steinschlag führen, der Straßen, Schutzhütten, Wanderwege und andere Infrastruktur beschädigt. Die Probleme reichen also bis ins Tal“, so Fischer.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen rechnen damit, dass Ende des Jahrhunderts nur mehr etwa zehn Prozent der Fläche der Alpengletscher übrig sein werden, in den Ostalpen noch etwas weniger. „Diese vom anthropogenen Klimawandel getriebene Entwicklung lässt sich nicht mehr aufhalten, wir müssen also versuchen, die Situation genau zu beobachten, damit wir Probleme frühzeitig erkennen können“, betonte Fischer. Sie empfiehlt daher, alle drei bis fünf Jahre eine Laservermessung der Oberfläche durchzuführen.

Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, könnten in Zukunft in höher liegenden Regionen wie dem Himalaya hilfreich sein, wo einerseits mehr Zeit bleibe, andererseits aber die Abhängigkeit der Menschen vom Schmelzwasser höher sei. Damit könnte man sowohl das Gefahrenpotenzial als auch die verfügbaren Wasserressourcen besser abzuschätzen.