Frau fasst sich an den Kopf, Schmerzen
dpa-Zentralbild/Oliver Killig
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Gesundheit

Antikörpertherapie hilft gegen Migräne

Rund ein Viertel aller Österreicherinnen und bis zu ein Zehntel der Österreicher leiden unter Migräne. Laut Fachleuten kann ein gesunder Lebensstil vorbeugend wirken. Medikamente sollten möglichst rasch genommen werden, und eine neue spezielle Antikörpertherapie erziele sehr gute Resultate.

Etwa eine Million Personen haben in Österreich mit Migräne-Attacken zu kämpfen. Wie Karin Zebenholzer, die Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft im Rahmen eines Pressegesprächs am Donnerstag informierte, sind die Betroffenen meist zwischen 20 und 50 Jahre alt.

Diagnose oft schwierig

Dabei ist es nicht immer leicht, Migränepatientinnen und -patienten richtig zu diagnostizieren. Wenn sie keine akuten Attacken haben, wirken sie nämlich meist völlig gesund. Bei einem schweren Migräneanfall können die Beschwerden aber so heftig ausfallen, dass die Betroffenen kaum denken, geschweige denn arbeiten können. Das weiß auch Claudio Lind, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Wien. Er erklärt gegenüber dem ORF: „Patientinnen und Patienten mit schweren Migränen sind so beeinträchtigt, dass sie teilweise kein normales Leben mehr führen können, weil sie dauernd in Angst vor der nächsten Attacke leben.“

Laut dem Wiener Facharzt habe sich die Diagnose von Migränepatientinnen in den letzten Jahren aber verbessert – nicht zuletzt durch den immer einfacheren Zugriff auf das Internet und die Eigeninitiative einiger Betroffener, sich über ihre Kopfschmerzen zu informieren. Immer noch gebe es aber zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher, die gar nicht wissen, dass ihre Kopfschmerzen leichte Migräneattacken sind. Der Arztbesuch bleibt daher oft aus.

schnelle Behandlung wichtig

Zur Behandlung können in manchen Fällen akut wirkende Schmerzmittel eingesetzt werden, aber auch gegen Migräne wirkende Injektionen mit speziellen Antikörpern sind seit wenigen Jahren verfügbar. Laut Lind sind diese Injektionen, die ähnlich wie Insulin von den Betroffenen selbstständig verabreicht werden können, ein großer Durchbruch und wirken auch vorbeugend. „Da wurde wirklich eine Therapie erhältlich, die bei vielen Patientinnen und Patienten tatsächlich zu dramatischen Besserungen der Migräne geführt hat“, erklärt der Wiener Facharzt.

Diejenigen, die Medikamente gegen Migräneattacken haben, nehmen diese aber oft zu spät ein. Laut der Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft ist das ein großes Problem. Sie erklärt: „Immer noch greifen viele erst Stunden nach Beginn der Kopfschmerzen zu akut wirkenden Schmerzmitteln oder den speziell gegen Migräne entwickelten Medikamenten. Zu spät, um den Schmerz ausreichend zu lindern oder gar zu beenden.“

Laut Zebenholzer ist die Akuttherapie daher ein ganz wesentlicher Punkt, um das Leben von Betroffenen deutlich zu verbessern. Dabei komme es neben dem Zeitpunkt auch auf die richtige Dosis an. „Man muss wirklich darauf achten, eine ausreichend hohe Dosis früh in der Attacke zu nehmen, damit es hilft. Hier ist sicher bei den Patientinnen und Patienten Aufklärung zu leisten, aber auch in der Ärzteschaft“, erklärt sie. Die Expertin empfiehlt, Medikamente innerhalb von zwei Stunden nach den ersten Kopfschmerzen einzunehmen.

Gesunder Lebensstil kann viel bewirken

Neben immer mehr Medikamenten, die auf dem Markt sind, kann aber auch ein gesunder Lebensstil vorbeugend gegen Migräneattacken wirken. „Das Motto lautet: Ausreichend Flüssigkeitszufuhr; zu versuchen, eine einigermaßen regelmäßige Tagesstruktur einzuhalten; ausreichend Schlaf und wo es geht, sollte Stress vermieden werden“, erklärt Lind. Der Wiener Facharzt ergänzt: „Gerade die Stressreduktion ist in Zeiten einer Pandemie ein großes Problem für viele Betroffene und bleibt heutzutage wohl eher ein frommer Wunsch für die meisten.“

Trotzdem hat Lind ein paar Tipps parat, um bereits stressbefreiter in den Tag zu starten. „Schon ein bis zwei Entspannungsübungen am Morgen und auch ein täglicher, flotterer Spaziergang in der Natur können wirklich viel bewirken. Sowohl bei Patientinnen mit Migräne als auch bei jenen mit normalen Kopfschmerzen.“

Volkswirtschaftliche Verluste

Neben dem Leidensdruck auf die Betroffenen sind aber auch die volkswirtschaftlichen Folgen der Migräne nicht zu unterschätzen. „Die meisten Migränepatientinnen und -patienten sind im Haupterwerbsalter“, erklärt Zebenholzer. Schätzungen zufolge betragen die volkswirtschaftlichen Verluste in Österreich jährlich rund 6,5 Milliarden Euro. Schließlich führt Migräne nicht nur zu Krankenständen, sondern setzt auch die Leistungsfähigkeit der Personen herab, die trotz Migräne arbeiten. Umso wichtiger sei es laut der Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, dass Betroffene wissen, wie sie Migräneattacken wirksam behandeln können und dass es bei Bedarf auch vorbeugende Therapien gibt.