Künstlerische Darstellung eines Schwarzen Loches
sdecoret – stock.adobe.com
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Schwarzes Loch

Unbekannter Stern bei „Sagittarius A*“ entdeckt

Astronomen haben die detailliertesten Bilder der Region um das Schwarze Loch „Sagittarius A*“ im Zentrum der Milchstraße geschossen. Dabei entdeckten sie einen bisher unbekannten Stern und konnten durch Analyse der Sternbahnen die bisher genaueste Messung der Masse des Schwarzen Lochs vornehmen.

Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München hat 2020 für seine Forschung zu „Sagittarius A*“ den Physik-Nobelpreis erhalten. Er teilte sich damals für den Nachweis der Existenz Schwarzer Löcher die Auszeichnung mit Roger Penrose und Andrea Ghez. Um mehr über das dunkle Zentrum der Milchstraße zu erfahren, etwa wie massiv das Schwarze Loch dort genau ist, ob es sich dreht und ob sich die Sterne in seiner Umgebung genauso verhalten, wie man es aufgrund von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erwartet, sei es am besten, „Sterne auf ihren Bahnen in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs zu verfolgen“, so Genzel in einer Aussendung der Europäischen Südsternwarte (ESO) zu der im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics“ erschienenen Studie.

Das Forscherteam um Genzel konnte nun mithilfe des „Very Large Telescope“ (VLT) der ESO und dem Instrument „Gravity“, welches das Licht aller vier 8,2-Meter-Teleskope des VLT mittels Interferometrie kombiniert, diese Beobachtungen mit bisher unerreichter Genauigkeit durchführen und laut ESO 20-mal näher an die Region heranzoomen als bisher. „Wir sind verblüfft von der Detailfülle, der Bewegung und der Anzahl der Sterne, die sich um das Schwarze Loch herum zeigen“, erklärte Julia Stadler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. So konnten die Forscher erstmals den bisher unbekannten Stern „S300“ sehen, der ihnen aufgrund seiner schwachen Helligkeit bisher entgangen war.

Schnelle Bewegungen

Bei ihren jüngsten Beobachtungen zwischen März und Juli dieses Jahres konzentrierten sich die Forscher auf die genaue Vermessung von Sternen, die sich dem Schwarzen Loch nähern. Dazu gehört auch der Stern „S29“, der das Schwarze Loch Ende Mai in einer Entfernung von nur 13 Mrd. Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 8.740 Kilometern pro Sekunde passiert hat. Bisher wurde kein anderer Stern beobachtet, der so nahe an einem Schwarzen Loch vorbeigezogen ist oder sich so schnell um dieses herum bewegt hat.

These annotated images, obtained with the GRAVITY instrument on ESO’s Very Large Telescope Interferometer (VLTI) between March and July 2021, show stars orbiting very close to Sgr A*, the supermassive black hole at the heart of the Milky Way. One of these stars, named S29, was observed as it was making its closest approach to the black hole at 13 billion kilometres, just 90 times the distance between the Sun and Earth. Another star, named S300, was detected for the first time in the new VLTI observations. To obtain the new images, the astronomers used a machine-learning technique, called Information Field Theory. They made a model of how the real sources may look, simulated how GRAVITY would see them, and compared this simulation with GRAVITY observations. This allowed them to find and track stars around Sagittarius A* with unparalleled depth and accuracy.
ESO/GRAVITY collaboration

„Aus den Beobachtungen konnten wir auch die Masse des Schwarzen Lochs genauer bestimmen, sowie dessen Abstands zu unserem Sonnensystem“, erklärte der österreichische Astrophysiker Gernot Heißel, der derzeit als Postdoc am Observatoire de Paris forscht und dem „Gravity“-Konsortium angehört, gegenüber der APA. Demnach besitzt „Sagittarius A*“ die 4,3-millionenfache Masse der Sonne und ist 27.000 Lichtjahre von uns entfernt. Noch genauer als bisher wurde bestätigt, dass die Sternbahnen mit den Vorhersagen von Einsteins Relativitätstheorie übereinstimmen.

Beobachtung passt zu Theorie

Zudem begrenzen die neuen Beobachtungen die Menge an Dunkler Materie, die sich eventuell zwischen dem Schwarzen Loch und den untersuchten Sternen aufhalten könnte. „Dort scheint nicht viel zu sein, jedenfalls nicht Materie in herkömmlicher Form“, erklärte Heißel. Er hat einen Computercode geschrieben, mit dem man die Sternbahnen um das Schwarze Loch modellieren und etwa untersuchen kann, wie sich eine mögliche Verteilung Dunkler Materie auf die Bahnen der umliegenden Sterne auswirkt. Seine Arbeit speziell zu diesem Thema wird in den nächsten Tagen ebenfalls in „Astronomy & Astrophysics“ erscheinen. „Die theoretischen Vorhersagen meiner Arbeit wurden von den Beobachtungen vorerst bestätigt, und wenn Theorie und Beobachtung übereinstimmen, dann strahlt der Physiker“, so Heißel.

Geplant ist, dass „Gravity“ noch in diesem Jahrzehnt aktualisiert und damit seine Empfindlichkeit weiter gesteigert wird, um schwächere Sterne noch näher am Schwarzen Loch zu entdecken. Als Ziel nennen die Wissenschaftler, Sterne zu finden, die so nahe sind, dass ihre Umlaufbahnen jene Gravitationseffekte spüren würden, die durch die Rotation des Schwarzen Lochs verursacht werden. Zudem wollen sie mit dem derzeit in Bau befindlichen „Extremely Large Telescope“ (ELT) der ESO die Geschwindigkeit dieser Sterne mit sehr hoher Präzision messen. So hoffen sie herauszufinden, wie schnell sich das Schwarze Loch dreht – ein Wert, den bisher noch niemand bestimmen konnte.