Grüner Schwamm und Seestern
AFP/BORIS HORVAT
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Meeresbewohner

Komplexes Skelett verleiht Seesternen Kraft

Leicht, aber trotzdem sehr robust ist das mineralische Skelett von Seesternen. Ein Forschungsteam hat nun die dafür verantwortliche Struktur in einer der Stachelhäuterarten genauer analysiert – in Zukunft will es sich davon etwas für den Bau widerstandsfähiger Materialien abschauen.

Die Arme von Seesternen sind meist beweglich und lasch – die Tiere können sie, wenn nötig, aber auch versteifen. Möglich ist das durch das poröse Skelett unter der Seesternhaut, das sogenannte Stereom. Es verwächst zu Platten, die als Ossikel bezeichnet werden und besteht hauptsächlich aus dem Mineral Calcit. Eigentlich ist Calcit aber nicht sehr robust, vor allem in so poröser Form wie im Skelett der Seesterne.

Ein Team um Ting Yang vom polytechnischen Institut der Universität von Virginia hat das Stereom von knotigen Walzenseesternen genauer unter die Lupe genommen. Dabei konnten sie eine besondere interne Struktur des Skeletts feststellen. Das Ergebnis ihrer Untersuchung präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science“.

Einzigartige, diamantenähnliche Struktur

Mit Hilfe von Elektronenmikroskopen hat das Team die Ossikel der Seesterne genauer untersucht. Dabei fanden die Forscher heraus, dass sie aus einer netzähnlichen Struktur bestehen, die dem Aufbau von Kohlenstoff in einem Diamanten ähnelt. Das alleine könne laut dem Forscherteam aber nicht für die besondere Stärke des Seestern-Skeletts ausschlaggebend sein.

Skelett Seesterne
Ling Li (Virginia Tech), James C. Weaver (Harvard University)

In weiteren Untersuchungen konnten die Forscher feststellen, dass die Atome des in dem Netz enthaltenen Calcits in eine bestimmte Richtung ausgerichtet sind. Eigentlich sind sie so anfällig für Fehler und könnten bei einer Krafteinwirkung aus einer bestimmten Richtung leicht brechen. Die Netzstruktur der Ossikel ist aber so ausgerichtet, dass sie das Calcit stärkt, wodurch das Skelett der Tiere gleichzeitig beweglich, leicht und sehr robust ist.

Der Materialforscher Ling Li war an der Untersuchung des Seestern-Stereoms ebenfalls beteiligt. Im Gespräch mit dem ORF erklärt er: „Diese besondere Struktur in den Ossikeln zu entdecken, war für uns sehr überraschend. So weit wir wissen, ist es das erste Mal, dass sie nachgewiesen worden ist.“ Dass auch andere Seesternarten ähnliche Merkmale aufweisen, sei laut Li wahrscheinlich – weitere Untersuchungen seien aber nötig, um das zu bestätigen.

Nachbau noch nicht möglich

Das bessere Verständnis zum Aufbau des Seestern-Stereoms könnte in Zukunft zur Entwicklung widerstandsfähiger und dennoch leichter Materialien dienen. „Strukturen aus der Natur, wie zum Beispiel die Form von Honigwaben, werden in der Technik bereits gerne eingesetzt. Wegen ihrer vielen Hohlräume sind derartige Materialien leicht, aber trotzdem sehr widerstandfähig“, so Li. Laut dem Forscher sei die Struktur der Seesternskelette – was die Robustheit angeht – noch klar überlegen.

Die Struktur habe das Potenzial, überall dort eingesetzt zu werden, wo widerstandsfähige Materialien benötigt werden, gleichzeitig aber an Gewicht gespart werden muss. Das bessere Verständnis zum Aufbau des Skeletts könnte in Zukunft etwa zur Entwicklung widerstandsfähiger Keramikkomponenten führen, die zum Beispiel in der Automobil- oder Flugzeugproduktion angewendet werden könnten.

Bis sie aber tatsächlich produziert werden kann, dauere es laut Li noch einige Jahre. Er erklärt: „Aktuell sind wir technisch noch nicht in der Lage, die extrem kleinen Strukturen der Seestern-Ossikel exakt nachzubauen.“ Der Materialforscher möchte mit seinem Team aber weiter erforschen, was im Inneren der Seesterne vorgeht, so dass derart komplexe Strukturen entstehen können – das könne auch Aufschlüsse darüber geben, wie die Struktur künftig im Labor oder in weiterer Folge der Industrie kopiert werden kann.

Von der Natur Lernen

Li erklärt: „Unsere Untersuchung zeigt einmal mehr, dass wir sehr viel von der Natur lernen können. Sie zu schützen und die Gesellschaft zu einem guten Umgang mit Lebewesen zu bewegen ist daher sehr wichtig.“ Li ist sich sicher, dass es noch viele weitere bisher unbekannte Strukturen und Mechanismen in der Natur gibt, die auch nützlich für uns Menschen sein könnten.