Sprache

Expertin warnt vor Entscheidungen auf Basis von Sprachtests

Sprachtests haben in Österreich teils weitreichende Auswirkungen. Die Ergebnisse entscheiden etwa darüber, ob Menschen aus Drittstaaten ihren Ehepartnerinnen oder -partnern ins Land folgen können. Die Aussagekraft solcher Tests sei allerdings beschränkt, warnt eine Expertin.

Sprachdiagnosen würden hierzulande mit einer großen Selbstverständlichkeit dafür benutzt, um auch Entscheidungen mit weitreichenden biografischen Auswirkungen zu legitimieren. Diese Selbstverständlichkeit täusche aber über die diversen Probleme bei der Messung von Sprachkompetenz hinweg, betonte die Bildungswissenschafterin Marion Döll von der Pädagogischen Hochschule (PH) Oberösterreich anlässlich der Tagung „Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext von Deutsch als Zweitsprache“, die u.a. vom Netzwerk Sprachenrechte und der Uni Wien organisiert wurde.

Zeigen nur Ausschnitt des Könnens

In Österreich sind je nach Altersgruppe verschiedene Sprachdiagnoseverfahren im Einsatz: Im Kindergarten ist das BESK-DaZ, am Übergang vom Kindergarten zur Volksschule bzw. zur Zuteilung in Deutschförderklassen MIKA-D, für Erwachsene beispielsweise das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD). Diese Instrumente würden auch alle etwas leisten. „Es ist nicht so, dass sie gar nichts können“, betonte Döll. Das Problem sei, was man mit den Ergebnissen machen wolle. Solche Diagnoseverfahren könnten nämlich immer nur einen Ausschnitt der Sprachkompetenzen zeigen, dieses Grundproblem werde allerdings in der Politik viel zu wenig diskutiert.

Untersucht werde bei diesen Verfahren lediglich die Sprachkompetenz im Deutschen und auch davon nur ein kleiner Ausschnitt, so Döll. Bei punktuellen Testungen spiele auch die Tagesform eine Rolle, dazu kämen verzerrende Faktoren wie die Motivation der Testkandidatinnen und -kandidaten oder der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen wie Introvertiertheit. Je nach Art des Testverfahrens kämen noch weitere Einschränkungen der Aussagekraft hinzu.

Politik will einfache Antworten

In der wissenschaftlichen Forschung sei deshalb die Skepsis gegenüber solchen Verfahren groß, während die Einschränkungen in der Politik – auch im Wunsch nach leicht administrierbaren Verfahren – ausgeblendet würden. „Allein der Begriff der Sprachkompetenztest suggeriert, es wäre eine faire, objektive Messung von Sprachkompetenz möglich, obwohl das aus wissenschaftlicher Sicht aus verschiedenen Gründen – trotz aller Bemühungen der Beteiligten – nicht der Fall sein kann.“

Aus wissenschaftlicher Sicht seien solche Verfahren deshalb auch nicht zur Begründung von Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen geeignet. „Bei Selektionsentscheidungen muss man hier größte Vorsicht walten lassen.“ Sollte eine Selektion allerdings politisch vorgeschrieben sein (Beispiel Deutschförderklassen), wäre ein gut entwickeltes Testtool laut Döll immer noch besser als eine rein intuitive Zuordnung, bei der etwa Vorurteile mitspielen könnten.

Besser fördern als testen

Als ein Ergebnis der Tagung mit ihren 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde auch ein Forderungskatalog erstellt. Deutschtestungen dürften nicht „als Zugangstestungen missbraucht“ und mit existenziellen Konsequenzen wie Aufenthalt, Familienzusammenführung, Staatsbürgerschaft, Sozialleistungen oder Zugang zu Ausbildungen und Regelschulsystem verbunden werden, so das Plädoyer der Experten.

Statt auf Selektion solle auf Förderdiagnostik gesetzt werden. Außerdem müsse anerkannt werden, dass es vielfältige Migrationsrealitäten gibt und Deutsch nicht die alleinige Bildungssprache sei. An den Schulen sollte Geld anstelle der Tests in sprachliche Förderung und ausreichend pädagogisches und sozialpsychologisches Personal fließen.