Rakete, Abgasfahne, Abgase, Weltraumtourismus, private, kommerzielle Raumfahrt
Ioannis Kokkinankis, Dimitris Drikakis, University of Nicosia, Cyprus
Ioannis Kokkinankis, Dimitris Drikakis, University of Nicosia, Cyprus
Weltraumtourismus

Raketenabgase verpesten Erdatmosphäre

Die Verschmutzung durch Abgase von Raketen, die für die kommerzielle Raumfahrt genutzt werden, hat erhebliche Auswirkungen auf die Erdatmosphäre. Das zeigt eine neue Studie. Mit dem Boom des Weltraumtourismus müssen private Raumfahrtunternehmen auch die Folgen für das Klima vermehrt berücksichtigen, fordern die Forscher.

Milliardäre wetteifern zunehmend um die lukrative Spitzenposition in der kommerziellen Raumfahrt. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihnen vor, das Geschäft mit dem Weltraumtourismus weitgehend ohne wissenschaftliche Forschungsinteressen und ohne Rücksicht auf das Klima voranzutreiben.

Die Zahl der kommerziellen Raumflüge wird weiter steigen, so Ioannis William Kokkinakis und Dimitris Drikakis von der Universität Nikosia in Zypern – nicht zuletzt weil wiederverwendbare Raumfahrttechnologie die Kosten stark senke: Die Raketen kommen im Idealfall unversehrt zur Erde zurück und können so – wie Flugzeuge – weitere Male genutzt werden. Die Forscher verweisen in ihrer Studie auf die privaten US-Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla-Gründer Elon Musk, Virgin Galactic vom britischen Unternehmer Richard Branson, und Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Folgen von Weltraumtourismus bisher vernachlässigt

Schon in der Vergangenheit wiesen Fachleute darauf hin, dass die Folgen von Raketenstarts für das Klima nicht mit der notwendigen Dringlichkeit erforscht werden, so Kokkinakis und Drikakis in der Studie, die nun im Fachjournal „Physics of Fluids“ veröffentlicht wurde. Bereits mehrfach sei von Expertinnen und Experten empfohlen worden, die in der Raumfahrt genutzten Treibstoffarten und die Gase und Partikel, die von Raketen in die mittlere und obere Atmosphäre abgegeben werden, sorgfältig zu untersuchen.

SpaceX Falcon 9 Rakete, Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida, April 2022
AP
Eine Falcon-9-Rakete von SpaceX startet vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral

Dass es dennoch nur wenig Forschung dazu geben, liege daran dass kommerzielle Raketenstarts bisher eine vernachlässigbare Rolle spielten, so die beiden Wissenschaftler. Mit der derzeitigen Zunahme des Weltraumtourismus machen sich aber auch die Auswirkungen auf die Atmosphäre mehr und mehr bemerkbar.

Falcon 9 als Prototyp für Berechnungen

Anhand von Modellen und Simulationen untersuchten Kokkinakis und Drikakis nun die möglichen Auswirkungen eines Raketenstarts auf die Erdatmosphäre. So untersuchten sie die Abgasfahne einer Rakete entlang ihrer typischen Flugbahn in bis zu 67 Kilometer Höhe. Als Beispiel für ihre Berechnungen zogen die Forscher die Trägerrakete Falcon 9 von SpaceX heran. Hintergrund für diese Wahl sei alleine die Verfügbarkeit der Abgasdaten für dieses Modell gewesen.

Rakete, Abgasfahne, Abgase, Weltraumtourismus, private, kommerzielle Raumfahrt
Ioannis Kokkinankis, Dimitris Drikakis, University of Nicosia, Cyprus
Eine Simulation der Abgasfahne einer Rakete in 30 Kilometer Höhe

Das Forschungsteam fand etwa heraus, dass thermische Stickoxide, die Bestandteile der Verbrennungsabgase sind, in einer Höhe von zehn Kilometern und darunter in der Atmosphäre zurückbleiben. Und auch der Ausstoß von Kohlendioxid sei erheblich: Bei einer zunehmenden Häufigkeit von Raketenstarts könnte sich das Gas in über 50 Kilometer Höhe ansammeln und dadurch das Klima beeinflussen.

Einfluss auf Zusammensetzung der Atmosphäre

Raketenstarts führen nicht nur zu einer erhebliche Erwärmung der Atmosphäre, sie verändern auch deren Zusammensetzung, heißt es in der Studie. In Anbetracht des rasanten Wachstums der privaten Raumfahrt „sollte die Verschmutzung durch Raketenabgase nicht unterschätzt werden“, so Kokkinakis. Eine steigende Zahl von Raketenstarts könnte erhebliche kumulative Auswirkungen auf das Klima haben.

„Wir hoffen, dass kommerzielle Flugunternehmen wie SpaceX, Virgin Galactic und New Shepard (eine Trägerrakete, die von Blue Origin betrieben wird, Anm.) und deren Triebwerksproduzenten diese Auswirkungen in ihren zukünftigen Plänen berücksichtigen“, ergänzt Drikakis.

Daten aus Weltraum notwendig für Wissenschaft

Der britische Astronaut Tim Peake sagte unlängst am Rande der Klimakonferenz COP26 in Glasgow, er sei „ein Fan davon, den Weltraum für die Wissenschaft und zum Wohle aller Menschen auf der Erde zu nutzen“, und nicht als exklusives Reiseziel für Milliardäre. Die Raumfahrt selbst verteidigte Peake aber: „Letztlich stammen fast 50 Prozent unserer Klimadaten aus dem All.“ Die Klimakrise könne ohne das im Weltraum gesammelte Wissen nicht bekämpft werden: „Ob es um den Salzgehalt der Ozeane geht, um Temperatur, Kohlendioxidausstoß, Entwaldung oder Eiskappen – diese Daten kommen alle von Satelliten.“