Erdrutsch im Alpenvorland 2009
Nikolaus Prozsinszky
Nikolaus Prozsinszky

Ergrünen der Alpen vom All aus sichtbar

Die Alpen erscheinen einer Studie zufolge wegen der Klimaerwärmung immer „grüner“: Fast 80 Prozent der Fläche oberhalb der Baumgrenze erscheint auf Satellitenbildern heute grüner als noch im Jahr 1984. Auch die Alpenflora ist dadurch bedroht.

Wie die Auswertung von Satellitenbildern aus den Jahren 1984 bis 2021 weiter zeigte, nahm zugleich die Fläche der Schneedecke ab – wenn auch bisher nur leicht, schreiben Forscherinnen und Forscher der Universitäten von Lausanne und Basel im Fachjournal „Science“.

„Das Ausmaß der Veränderung hat sich in den Alpen als absolut massiv herausgestellt“, sagt Sabine Rumpf von der Universität Basel. Pflanzen besiedelten neue Gebiete und die Vegetation werde generell dichter und höher. Die Zunahme der pflanzlichen Biomasse gehe auf veränderte Niederschläge und längere Vegetationsperioden infolge steigender Temperaturen zurück. Dieser Effekt könnte die spezielle Alpenflora bedrohen.

„Biodiversität unter Druck“

„Alpenpflanzen sind an raue Bedingungen angepasst, aber nicht sehr konkurrenzfähig“, sagt Rumpf. Wenn sich die Umweltbedingungen änderten, würden diese spezialisierten Arten ihren Vorteil verlieren und verdrängt. „Die einzigartige Biodiversität der Alpen steht daher unter erheblichem Druck“, so die Forscherin weiter.

Pflanzen vor Gletscher
REUTERS

Im Gegensatz zur Vegetation hat sich laut Studie die Schneebedeckung oberhalb der Baumgrenze seit 1984 nur geringfügig verändert. Die jeweilige Schneehöhe ließe sich anhand der Satellitenbilder aber nicht genau feststellen, hieß es. Jedenfalls würden sich die Alpen mit der Erderwärmung immer mehr von Weiß zu Grün verfärben.

Gefahr von Erdrutschen steigt

„Grünere Berge reflektieren weniger Sonnenlicht und führen daher zu einer weiteren Erwärmung – und damit zu einer weiteren Schrumpfung der reflektierenden Schneedecke“, so Rumpf. Höhere Temperaturen führten zu einem Abschmelzen von Gletschern und dem Auftauen von Permafrost, was mehr Erdrutsche, Steinschläge und Gerölllawinen auslösen könnte.

Vor allem das Ausmaß des Ergrünens hat die Forscher überrascht. Sie habe sich zwar gedacht, „dass wir einen Effekt finden, aber dass er so deutlich und großflächig zutage tritt, hat sich glaube ich keiner von uns so erwartet“, so Rumpf.

Für arktische Regionen ist eine durch den Klimawandel beförderte starke Vegetationszunahme dokumentiert. Für Gebirge gab es bereits einige Studien, die den Effekt belegten, eine derart umfassende Analyse der gesamten von Frankreich bis nach Österreich reichenden Alpenregion bisher aber noch nicht.