Shell-Raffinerie-Anlage in Singapur
AFP – ROSLAN RAHMAN
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CO2-Pläne der Erdölfirmen in Nähe der Klimaziele

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss der CO2-Fußabdruck erheblich verkleinert werden, allen voran jener der großen Erdöl- und Erdgaskonzerne. BP, Shell und andere haben deshalb eigene Klimapläne aufgestellt – diese liegen laut einer neuen Studie zumindest in der Nähe der Pariser Klimaziele.

Auf den Anteil, den Unternehmen an den CO2-Emissionen haben, richtete sich die Aufmerksamkeit u. a. nach einem aufsehenerregenden Prozess in den Niederlanden im vergangenen Jahr: Umweltschutzorganisationen hatten den Öl- und Erdgaskonzern Shell in einem großen Klimaprozess geklagt, seinen CO2-Ausstoß zu senken. Im Mai 2021 entschied ein Gericht in Den Haag, dass der britisch-niederländische Konzern seine Kohlendioxidemissionen bis 2030 um netto 45 Prozent gegenüber 2019 senken muss.

“Rebalance“ bis „Net Zero“: Eigenpläne der Konzerne

Die Pariser Klimaziele sehen vor, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, möglichst jedoch auf 1,5 Grad. Wie gut passen dazu die Klimapläne von Shell, dem Mineralölunternehmen BP, dem norwegischen Erdöl- und Erdgaskonzern Equinor und zwei Szenarien, mit denen die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet? Das hat ein Team um Robert Brecha von der NGO Climate Analytics in Berlin nun im Fachmagazin „Nature Communications“ analysiert.

Unter Namen wie „Rebalance“ (Equinor), „Sky 1.5“ (Shell) und „Rapid“ bzw. „Net Zero“ (BP) formulierten die Unternehmen Pfade, die laut den Konzernen teils mit dem 1,5- bzw. dem Zwei-Grad-Ziel kompatibel sein sollen. Shell räumt in seinem bis zum Jahr 2100 reichenden Szenario aber beispielsweise ein, dass vor der Eindämmung des Anstiegs auf rund 1,5 Grad mit einem zeitweisen Überschießen dieses Zieles zu rechnen ist.

Shell-Raffinerie-Anlage in Singapur
AFP – ROSLAN RAHMAN
Shell-Raffinerie in Singapur

Zwischen 1,65 und 1,81 Grad plus

Das Forschungsteam brachte die jeweiligen Szenarien nun in Verbindung mit jenen Modellen, von denen der Weltklimarat (IPCC) aktuell bei seinen längerfristigen Simulationen ausgeht. Unter den insgesamt sechs seitens der Konzerne und der IEA ins Spiel gebrachten Szenarien ist demnach nur eines mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel, heißt es in der Arbeit. Dieses ist das „Net Zero Emissions“-Szenario der IEA, bei dem der weltweite Energiesektor bis zum Jahr 2050 „Netto-Null-Emissionen“ erreicht. Dazu muss der gesamte schädliche Ausstoß von Treibhausgasen wieder ausgeglichen werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperatur den Maximalwert von 1,5-Grad-Plus im Jahr 2100 trotzdem knapp übersteigt, liege aber auch unter dieser Annahme bei rund 60 Prozent. Die weiteren fünf untersuchten Emissionsreduktionspfade führen im Schnitt zu einem wahrscheinlichen Plus zwischen 1,65 (BPs „Net Zero“) und 1,81 Grad Celsius (Shells „Sky“), so die Analyse, an der auch Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ) beteiligt waren. Alle sechs Pläne bzw. Szenarien sind mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbar.

Viele Fragen offen

Für die Fachleute zeigen die Untersuchungen einmal mehr, dass Szenarien, bei denen das Zurückfahren der großflächigen Nutzung von fossilen Treibstoffen weiter hinausgezögert wird, fast immer mit einem zumindest zeitweisen deutlichen Überschießen der 1,5-Grad-Marke einhergehen.

Offen ist vielfach auch, wie dann gegen Ende des Jahrhunderts jene Mengen an CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen werden sollen, die notwendig wären, um die globalen Temperaturen auf das angestrebte Maß zu begrenzen – respektive dann effektiv abzusenken. Ein weiteres Fragezeichen sind die Emissionen weiterer Treibhausgase wie Methan und Lachgas.

Nachvollziehbarkeit oft schwierig – auch bei Staaten

Unternehmen und Co. sollten in Zukunft klarere Aussagen über ihre Pläne und Annahmen zur Reduktion machen, damit diese auch extern analysiert werden können, so die Fachleute. Bei der mangelnden Nachvollziehbarkeit sind die Firmen und Institutionen aber nicht alleine. Auch die Zusagen und Bekenntnisse vieler Staaten und Staatenbünde, in den kommenden Jahrzehnten Netto-Null-Emissionen zu erreichen, sind nämlich vielfach schwer miteinander vergleichbar und wenig konkret, monieren Expertinnen und Experten immer wieder.