Straßenbeleuchtung, LED, Licht, Straße
Milan Noga reco – stock.adobe.co
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Straßenbeleuchtung

Licht in Europa wird zunehmend blau

Mit Fotos von der Internationalen Raumstation (ISS) hat ein Forschungsteam untersucht, wie sich Europas Straßenbeleuchtung in den letzten Jahren verändert hat. Energieeffiziente LED-Lampen liegen im Trend, die Menge an künstlichem, blauem Licht nimmt daher zu. Nur in Österreich und Deutschland veränderte sich das Farbspektrum der Straßenbeleuchtung vergleichsweise wenig.

An dem von Bildschirmen und Lichtdioden (LED) ausgestrahlten blauen Licht wurde in letzter Zeit viel Kritik geäußert. Untersuchungen weisen darauf hin, dass das kurzwellige und hochenergetische Licht zum Beispiel negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Laut einer US-amerikanischen Studie lässt es zum Beispiel Fruchtfliegen schneller altern – ein Problem, das eventuell auch bei Menschen bestehen könnte. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass zu viel blaues Licht am Abend den Schlaf stört, da es die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin hemmt.

Auch im Tierreich kann das künstliche Licht für Probleme sorgen. „Die visuelle Wahrnehmung von Insekten erlaubt es ihnen, weiter als wir Menschen in den blauen und sogar in den ultravioletten Spektralbereich zu sehen. Gewisse Farbspektren des künstlichen Lichts ziehen sie daher besonders an“, erklärt Gregor Radinger, der Leiter des Zentrums für Umweltsensitivität an der Donauuniversität Krems. Dass die Insekten von den Straßenlaternen angezogen werden, schade nicht nur der jeweiligen Art selbst, sondern der gesamten Biodiversität einer Region, gibt er gegenüber science.ORF.at zu bedenken.

Wien rüstet um

LED-Nachtbeleuchtung hat aber nicht nur Nachteile. Die Lampen sind für die bestmögliche Ausleuchtung von Verkehrswegen bei minimaler Blendung optimiert und verbrauchen im Normalfall auch weniger Energie. In Wien sind daher bereits alle alten Seilhängeleuchten gegen effizientere LED-Lampen getauscht worden – bis zum Jahr 2026 soll das auch mit all jenen Straßenlampen passieren, die an einem Mast befestigt sind. Historische Leuchten mit orange-gelbem Licht bleiben zum Beispiel nur in speziellen Schutzzonen und in Altstadtbereichen bestehen.

Vorreiter ist Wien in Europa damit aber nicht. Im italienischen Mailand wurde die Straßenbeleuchtung bereits im Jahr 2015 großflächig auf LED-Lampen umgerüstet. In ganz Spanien kam schon im Jahr 2017 über die Hälfte der nationalen nächtlichen Beleuchtung von LEDs. In Österreich und Deutschland gibt es hingegen immer noch einige alte Beleuchtungssysteme, etwa aus Hochdruck-Natriumdampflampen. Diese Art von Straßenbeleuchtung stößt weniger Licht im blauen Bereich des Farbspektrums aus.

Analyse von Fotos aus dem All

Wie sich die nächtliche Beleuchtung in Europa im Lauf der Zeit veränderte, untersuchte nun ein britisches Forschungsteam um den Astrophysiker Alejandro Sanchez de Miguel. Dazu nutzten die Forscherinnen und Forscher Fotos von Europa bei Nacht, die von Astronauten auf der ISS aufgenommen wurden.

Farbkarte von Europa bei Nacht für 2014 bis 2020, im Ausschnitt Paris.
Sánchez de Miguel et al., Sci. Adv. 8, eabl6891 (2022)
Europa bei Nacht (im vergrößerten Ausschnitt: Paris)

Das Team wählte Fotos aus den Jahren 2012 und 2013 aus und verglich sie mit Aufnahmen derselben Regionen in den Jahren 2014 bis 2020. Die Grenze der beiden Zeiträume markiert den Zeitpunkt, als LEDs als Leuchtmittel für Straßenlaternen marktreif wurden. Die Erkenntnisse aus der Fotoanalyse präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science Advances“.

Blaues Licht nimmt zu

Durch die Bearbeitung und genaue Analyse der Fotos und der Farbspektren des darauf abgebildeten Lichts fand das Team heraus, dass die nächtliche Beleuchtung in ganz Europa immer öfter von weißen LED-Lampen stammt, die mehr Licht im blauen Farbspektrum ausschütten. Konkret fanden die Forscherinnen und Forscher im zweiten Untersuchungszeitraum einen Anstieg des Lichts im grünen Bereich um rund elf Prozent, im Bereich des blauen Lichts waren es sogar knapp 25 Prozent.

Einen besonders großen Zuwachs an blauem Licht konnte das Team in Italien, Rumänien, Irland und Großbritannien feststellen – dort wurden scheinbar besonders viele Natriumdampflampen durch LEDs ersetzt. Österreich und Deutschland weisen die Forscherinnen und Forscher hingegen als Ausnahmen aus – dort habe sich das nächtliche Licht im Vergleich zu den anderen Ländern am wenigsten verändert.

Andere Ausgangslage für Österreich

Dass es in Österreich und Deutschland die geringsten Veränderungen gab, hat laut der Studie vor allem zwei Gründe: Einerseits gehe die Umstellung auf LED-Beleuchtungen in den beiden Ländern vergleichsweise langsam voran, andererseits seien dort aber auch schon seit Langem einige Beleuchtungen im Einsatz, die ohnehin blaues Licht produzieren.

Neben den Natriumdampflampen, auf die das nicht zutrifft, gibt es laut der Studie gerade in Deutschland noch viele Leuchtstoffröhren und Quecksilberdampflampen, die weißes Licht mit einem größeren Blauanteil ausschütten. Die Ausgangslage für Österreich und Deutschland war daher eine andere als zum Beispiel für Irland, wo im Zeitraum 2012 bis 2013 noch sehr viel orange-gelbes Licht zu finden war.

Experte für gezielte Anwendung

Das Abwägen der Vor- und Nachteile von LED-Straßenlaternen ist laut Radinger jedenfalls wichtig, aber oft auch schwierig. So sei etwa die großflächige Umstellung der Stadt Wien auf LED-Lampen durchaus sinnvoll, aber nicht überall bringe der Einsatz von LEDs auch Vorteile mit sich. Dort, wo die Sicht auch nachts gut sein muss, liegen diese Beleuchtungen klar vorne, aber: „Die Frage ist, ob man zum Beispiel auch für Dinge wie Effektlichter oder die Beleuchtung von Gebäuden künstliches LED-Licht braucht, oder ob man hier auf Varianten zurückgreifen könnte, die sich weniger negativ auf die Umwelt auswirken.“