Kleine Fische, wie die Zwerggrundel, werden normalerweise sechzig Tage alt, Mäuse überleben vier Jahre und Menschen werden im Schnitt rund achtzig. Zwischen verschiedenen Spezies variiert die Lebenserwartung stark, innerhalb derselben Art verändert sie sich hingegen meist nur langsam und über Generationen hinweg. Das Erbgut spielt dabei eine maßgebliche Rolle – Langlebigkeit ist also vererbbar.
Zweihundert Jahre alte Fische
Um mehr über die Gene herauszufinden, die Einfluss auf die Lebenserwartung haben, hat ein Forschungsteam um den Genetiker Stephen Treaster von der Harvard Medical School (USA) das Erbgut von über zwanzig Fischarten untersucht und sequenziert – die Daten stammten von Tieren aus der Familie der Drachenköpfe und der dazu gehörenden Unterfamilie der Felsenbarsche. Das Ergebnis der Untersuchung präsentieren die Forscherinnen und Forscher derzeit im Fachjournal „Science Advances“.
„Diese Fischarten waren für uns die ideale Möglichkeit, die Unterschiede zwischen langlebigen und kurzlebigen Lebewesen zu untersuchen, die von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen“, erklärt Treaster gegenüber science.ORF.at. Ein paar der untersuchten Fischarten können im Idealfall über zweihundert Jahre alt werden, andere nur zehn bis zwanzig.
In der Gruppe der Wirbeltiere sind vor allem die langlebigen Fischarten eine Besonderheit. Kaum andere Wirbeltiere werden so alt – eine der wenigen Ausnahmen bildet der Grönlandhai, der laut den Autorinnen und Autoren knapp vierhundert Jahre alt wird.
Gennetzwerk beeinflusst Alterungsprozess
Das Team fand in dem sequenzierten Erbgut der unterschiedlichen Fischarten Variationen bestimmter Gennetzwerke, die sie miteinander vergleichen konnten. Dabei fanden sie eine Gengruppe, die mit der Aktivierung von Insulin-Signalwegen und der Verstoffwechselung von Flavonoiden zusammenhängt – gesunde Naturstoffe, die sich unter anderem in Pflanzen, Obst und Gemüse befinden und von Menschen über die Nahrung aufgenommen werden.
Die Expertinnen und Experten glauben, dass sich die Variationen in dem Gennetzwerk auf die Langlebigkeit der Fische auswirken. Ein paar der darin befindlichen Gene, die etwa für die Flavonoid-Verstoffwechselung verantwortlich sind, stehen laut Teaster auch in Zusammenhang mit der Regulierung bestimmter Wachstumshormone.
Gene auch bei Menschen relevant
Die Forscherinnen und Forscher nutzten daraufhin Daten aus internationalen genomweiten Assoziationsstudien, um das Gen-Netzwerk auch in Menschen zu suchen. Dabei zeigte sich, dass Variationen in dem Netzwerk wahrscheinlich auch bei Menschen einen sehr großen Einfluss auf die vererbte Langlebigkeit haben. Die Autorinnen und Autoren geben an, dass die gefundenen Gene und Signalwege für rund neunzig Prozent der vererbten Lebenserwartung verantwortlich sind. „Die Menschen, die in einer bestimmten Population am längsten leben, haben sehr oft deutliche Variationen in der Nähe dieser Gengruppe“, so Teaster.
Langlebiger Vorfahre
Eine weitere Erkenntnis des Forschungsteams: Bisher gingen Wissenschaftler meist davon aus, dass der Vorfahre der untersuchten Fischarten eine eher kurze Lebenserwartung hatte. Die Fische hätten ihre Langlebigkeit demnach erst im Lauf der nächsten acht Millionen Jahre entwickelt.
Laut dem US-amerikanischen Genetiker ist das aber scheinbar nicht der Fall. „Wir haben das Erbgut der Fischarten genau untersucht und gehen mittlerweile davon aus, dass ihre Vorfahren langlebig waren. Im Lauf der Evolution haben dann ein paar Spezies diese Fähigkeit verloren“, so Treaster.
Ziel für weitere Untersuchungen
Noch handle es sich bei der Arbeit des Forschungsteams um Grundlagenforschung, das gefundene Gennetzwerk bietet laut Treaster aber ein gutes Ziel für kommende Untersuchungen. Damit und mit der Erforschung anderer langlebiger Tierarten könnte es laut dem Genetiker irgendwann tatsächlich möglich sein, den Alterungsprozess der Menschen zu verlangsamen und die Lebenserwartung zu erhöhen. Auch gegen altersbedingte Krankheiten wie Demenz oder Parkinson könnte man so in Zukunft effektiver vorgehen.