Start der Vega-C-Rakete im Dezember 2022
APA/AFP/ARIANESPACE-ESA/Stephane Corvaja
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Raumfahrt

Europas Zugang zum All „gefährdet“

Die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 soll erst Ende des Jahres starten, der erste kommerzielle Flug der kleineren Vega C ist kürzlich schiefgegangen. Um die europäischen Trägerraketen ist es derzeit nicht gut bestellt – Europas Zugang zum All ist „kurz gefährdet“, schätzt ESA-Chef Josef Aschbacher.

„Wir sind in einer ernsthaften Krise des europäischen Trägerraketen-Sektors“, teilte die europäische Raumfahrtagentur ESA auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Der österreichische ESA-Chef Josef Aschbacher sagte am Montag in Paris: „Ab Mitte dieses Jahres haben wir keinen garantierten Zugang Europas zum All mit europäischen Trägerraketen und das ist für uns alle ein riesiges Problem.“

Scheitern von Vega-C-Rakete wird untersucht

Der ESA zufolge habe diese Krise vor knapp einem Jahr begonnen, als Russland entschied, seine Sojus-Raketen vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana abzuziehen. Es folgten Verzögerungen bei der Ariane 6, die nun im letzten Quartal des Jahres erstmals starten soll – und damit drei Jahre später als ursprünglich geplant. Ende Dezember reihte sich dann der gescheiterte erste kommerzielle Flug der Vega C in die Liste der Probleme ein.

Was genau bei dem Flug schieflief, als die Rakete nur wenige Minuten nach dem Start von ihrem Kurs abkam, soll eine Expertenkommission ergründen. Raketenbetreiber Arianespace hatte von einem Problem beim Triebwerk Zefiro 40 und einem Druckabfall gesprochen. Erste Ergebnisse der Kommission soll es im Februar geben. Er sei bereit, dann zügig zu handeln, sagte ESA-Chef Aschbacher der dpa. „Ich glaube, dass wir relativ starke Maßnahmen treffen müssen, was die Qualitätskontrolle betrifft.“ Aschbacher verwies auch auf die zwei Fehlstarts, die es 2019 und 2020 mit der Vega, dem Vorgängermodell der Vega C, gegeben hatte.

Europas Zugang zum All „kurz gefährdet“

Eigentlich sollten in diesem Jahr drei bis vier Vega-C-Raketen an den Start gehen, wie Arianespace mitteilte. Abhängig von dem Ergebnis der Untersuchungskommission werde man diese Starts verwalten: Je nach Masse der Satelliten sei es zumindest theoretisch möglich, die Flugkörper mit der Vega ins All zu befördern.

Vega C und Ariane 6 sollen Europas Raumfahrt wettbewerbsfähiger machen und sind daher enorm wichtig. Die Ariane 6 ist das Nachfolgemodell der Ariane 5, die seit 1996 im Einsatz ist. Die Vega C ist eine Weiterentwicklung der Vega-Rakete, die seit 2012 leichte Satelliten ins All bringt.

Angesichts der Probleme sei Europas Zugang zum All „kurz gefährdet“, schätzt Aschbacher. Es gebe jedoch die finanziellen Mittel, das Problem anzugehen und zu lösen. Von der ESA hieß es, sobald Ariane 6 und Vega C flögen, seien sie perfekt auf die Bedürfnisse der europäischen Institutionen abgestimmt. Der Zugang zum All stehe nicht auf dem Spiel. „Die kurzfristige Priorität ist es, den Jungfernflug der Ariane 6 und eine sichere, zügige und robuste Rückkehr der Vega C zum Fliegen schnell und verlässlich abzusichern.“

Einige Änderungen

Notwendig ist das für die ESA auch, weil etwa der Erdbeobachtungssatellit „Sentinel-1C“, der mit Radartechnik Tag und Nacht Bilder von der Erdoberfläche liefern soll, im Mai oder Juni an Bord einer Vega C in den Weltraum gebracht werden soll. Andere Missionen sind noch mit den letzten Ariane-5-Raketen geplant.

Die Sonde „Euclid“ hingegen, die ursprünglich mit einer Sojus-Rakete ins All fliegen sollte und eine 3-D-Karte des Universums erstellen soll, wird diesen Sommer mit einer Falcon 9 des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX abheben. Mit der russischen Sojus hätten ebenso Satelliten für das Satellitennavigationssystem Galileo ins All gesollt. Laut ESA wird dafür zwar die Ariane 6 als Trägerrakete bevorzugt, aber auch nicht-europäische Raketen würden der Kontinuität halber in Betracht gezogen.