Ausnahmsweise scheint an der Nordsee die Sonne – auch in Bremerhaven ist keine Wolke zu sehen. In einem Büro – unweit des Deutschen Schifffahrtsmuseums – mit Blick auf den „Neuen Hafen“ der Küstenstadt, brütet Heinrich Miller über den Plänen eines neuen Schiffes, der „Polarstern II“. Der gebürtige Innsbrucker ist seit dem Studium in Deutschland. Seine Stationen lauteten: Innsbruck – München – Bremerhaven, wo er einige Jahre stellvertretender Direktor des Alfred-Wegener-Instituts für Polarforschung war. Der emeritierte Professor begleitet das Projekt „Polarstern II“ von Beginn an, und ein Abschied in den Ruhestand kommt nicht in Frage.
Stimmt es, dass Sie das Alfred-Wegener-Institut (AWI) nicht in Pension gehen lässt, weil Sie so wichtig für das Projekt „Polarstern II“ geworden sind?
Heinrich Miller: Ich kann jederzeit in den Ruhestand gehen, aber ich bin noch da und mache weiter. Ich bin seit Beginn der Planungen dabei und ich möchte dabei sein, wenn die „Polarstern II“ fertiggestellt wird.
Ende 2027 soll der neue Forschungseisbrecher in See stechen – wird der Termin halten?
Miller: Die „Polarstern“ wurde in den 1980ern innerhalb von zwei Jahren gebaut, so funktioniert das heute nicht mehr – man muss Vergabeverfahren und Vorgaben einhalten. Der Bau des neuen Schiffes wird wohl länger dauern. Wir hoffen, dass der Termin hält. Unsere Planungen für Nummer zwei sind fertig, Ende März werden wir von den Werften, die bei dem Vergabeverfahren mitbieten, die ersten Angebote bekommen.
Der Eisbrecher „Polarstern“ ist für die Forschungsgemeinschaft ein wichtiges Werkzeug für das Arbeiten in extremen Gebieten. Wie sind Sie an die Planung des neuen Schiffes herangegangen?
Miller: Wir haben mit Forscherinnen und Forschern verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen gesprochen und sie nach ihren Anforderungen an den neuen Eisbrecher gefragt. Jede und jeder hat Vorschläge gemacht, über die Jahre haben wir diese auf das Wesentliche eingedampft. Heute sind wir neun Personen, die an dem Projekt arbeiten.
Heinrich Miller plant die „Polarstern II“
Heinrich Miller in seinem Büro in Bremerhaven
Inwiefern wird sich die „Polarstern II“ von ihrer älteren Schwester unterscheiden?
Miller: Die aktuelle „Polarstern“ könnte heute nicht mehr in See stechen – die rechtlichen Vorgaben haben sich massiv geändert. Der Treibstoff im neuen Schiff wird zum Beispiel nicht mehr in der Zwischenwand, sondern im Inneren in Tanks gelagert sein – das ist eine Vorgabe. Das Schiff wird größer sein und wir haben uns dazu entschieden, die Eisbrechleistung zu erhöhen – so kann die „Polarstern II“ in neue Gefilde vordringen und die Forschung vorangetrieben werden.
Eine Neuerung wird der sogenannte Moonpool sein, das ist eine Öffnung im Schiff, über die zum Beispiel ferngesteuerte Roboter ins Wasser gelassen werden können. Bei der Mosaic-Expedition in der Arktis mussten diese Experimente auf der Eisscholle durchgeführt werden. Die „Polarstern II“ wird auch eine Zeit lang ohne Abgasausstoß arbeiten können, damit sind bessere Messungen der Atmosphäre möglich, und es ist umweltfreundlich. Dort, wo wir unterwegs sind, dürfen wir auch keinen Abfall zurücklassen, die Verbrennung muss also im Schiff erfolgen und umweltverträglich sein. Teilweise hat die „Polarstern“ diese Systeme an Board, in ein neues Schiff können wir das alles gut integrieren.
In welche Gefilde wird die „Polarstern II“ vordringen können?
Miller: Das Weddellmeer in der Antarktis ist sehr interessant – da können wir mit dem neuen Schiff auch im Winter forschen. In dem Meergebiet wird das antarktische Tiefenwasser produziert, das kälteste Wasser in den Ozeanen. Das wollen wir eben auch im Winter erforschen. Die „Polarstern II“ wird mit ihrer hohen Eisbrechkraft das ermöglichen.
Generell werden wir wieder viele unterschiedliche Einsätze des neuen Eisbrechers sehen. Die „Polarstern“ ist jetzt auf Jahre ausgebucht mit Forschungsreisen – wir könnten mit drei Eisbrechern unterwegs sein. Für die neue „Polarstern“ gibt es noch keine geplanten Reisen – sie muss erstmal gebaut werden.
Seit 1982 ist die „Polarstern“ im Dienste der Wissenschaft unterwegs. Was wird mit dem Schiff passieren?
Miller: Das wissen wir noch nicht. Möglicherweise werden beide Schiffe eine Zeit lang, gleichzeitig betrieben. Es gibt viele Forschungsfelder, wo wir mit zwei Schiffen neue Experimente durchführen können. Wichtig ist, dass in der Übergangszeit, immer ein Schiff zur Verfügung steht. Die „Polarstern“ ist ein wichtiges Forschungsgerät – für das Alfred-Wegener-Institut und für internationale Polarforscher.