Künstlerische Darstellung: Spermien schwimmen auf Eizelle zu
Siarhei – stock.adobe.com
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Verhütung

Eine Pille für den (Mäuse-)Mann

Eine Antibabypille für Männer ohne Hormone und Nebenwirkungen ist nach wie vor nicht in Reichweite. US-Fachleute berichten nun von vielversprechenden Resultaten bei Mäusestudien. Ob sich daraus aber eine echte Verhütungsmethode entwickelt, ist noch unklar – die Beantwortung der Frage wird noch viele Jahre dauern.

Ein Forschungsteam um Melanie Balbach vom Weill Cornell Medical College hat die Verhütungsmethode bei Mäusen getestet. Die Pille enthält keine Hormone, zeigt keine Nebenwirkungen und kann kurz vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden, wie die Fachleute in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ berichten.

Sie sorgt für eine Unbeweglichkeit der Spermien, die ein paar Stunden anhält, auch die Reifung der Samenzellen ist vorrübergehend behindert. Die volle Fortpflanzungsfähigkeit ist am darauffolgenden Tag wieder hergestellt, schreiben die Forscherinnen und Forscher.

YouTube-Video: unbewegliches Spermium

Wirkung im Körper

Verantwortlich für die Wirkungen ist das Hemmen bestimmter Enzyme (lösliche Adenylylclasen, kurz sAC), die an der Signalübermittlung innerhalb einer Zelle beteiligt sind. Auch bei der männlichen Fruchtbarkeit spielen sie eine wichtige Rolle, da sie für die Beweglichkeit der Spermien notwendig sind. Zur Hemmung dieses Prozesses hat das Forschungsteam den Versuchsmäusen eine bestimmte Verbindung (TDI-11861) eine halbe Stunde vor dem Geschlechtsverkehr injiziert – die Wirkung stellt sich aber auch nach oraler Verabreichung ein.

Ergebnis: Nach der Einnahme des Wirkstoffs „TDI-11861“ waren die männlichen Mäuse laut der Studie für zwei Stunden zu 100 Prozent unfruchtbar. Trotz 52 verschiedener Paarungsversuche wurden keine Weibchen schwanger. Nebenwirkungen gab es keine, auch nicht bei einer kontinuierlichen Verabreichung des Medikaments während sechs Wochen. Die Werte der Mäuse zeigten keine Veränderungen der Hoden, Nebenhoden, Nieren, Augen, Leber, Milz oder Bauchspeicheldrüse.

YouTube-Video: ungehemmetes, frei schwimmendes Spermium

Ob die Methode auch bei Menschen funktioniert, müssten weitere Forschungsarbeiten zeigen, betonen die Fachleute. Sie sei aber schon jetzt eine „innovative, nicht-hormonelle Verhütungsstrategie, die das Potenzial hat, Gleichheit zwischen den Geschlechtern herstellen und die Familienplanung revolutionieren zu können".

Kondom und Vasektomie

Derzeit sind Kondom und Vasektomie die einzigen wirksamen Verhütungsmethoden für Männer. Obwohl eine Rückoperation nach Sterilisation möglich ist, kann der Eingriff eine spätere Kinderplanung erschweren, und Kondome können abrutschen oder reißen. Auch um auf Nummer sicher zu gehen, übernehmen Frauen die Verantwortung für die Verhütung fast doppelt so oft als ihre männlichen Partner.

Aus zwölf Methoden, mit und ohne Hormone, können Frauen wählen. Einer der Gründe für diese Mehrzahl an weiblichen Verhütungsmethoden ist der komplexe Prozess der Spermienbildung und die Spermienanzahl. 1.000 Spermien erzeugt ein Mann pro Sekunde nach der Pubertät. Eine Anti-Baby-Pille für den Mann muss daher Millionen von Spermien vorrübergehend unfruchtbar machen oder davon abhalten, die Eizelle zu erreichen.

Jahrzehntelange Suche nach Pille für den Mann

Der neue sAC-Hemmer ist nicht der einzige Wirkstoff-Kandidat für die Männerpille. Als vielversprechend gilt auch der Wirkstoff mit dem Namen „YCT529“, der im März 2022 das erste Mal vorgestellt wurde, sowie der Wirkstoff „VU0546110“, der im Jänner 2023 vorgestellt wurde. Auch diese beiden nicht-hormonellen Verhütungsmittel wurden an Mäusen erfolgreich getestet.

Die Suche nach einer Pille für den Mann hat generell eine lange Geschichte. Bereits in den 1950er Jahren haben US-Wissenschaftler ein Medikament gefunden, dass Männer vorrübergehend unfruchtbar machen konnte. Nachdem die Tests an Mäusen positive Resultate zeigten, wurde die Pille bei Insassen im Gefängnis ausprobiert. Die Inhaftierten nahmen das Medikament über Monate und es zeigten sich dieselben Ergebnisse wie bei den Versuchsmäusen. Nachdem jedoch entdeckt wurde, dass die Pille in Kontakt mit Alkohol giftige Stoffe im Körper ausstößt, wurde das Experiment abgebrochen.

Am 18. August 1960 wurde die „Antibabypille“ für Frauen in Amerika erstmals verkauft. Seitdem gab es diverse Versuche von männlichen Verhütungspillen, die meist monatelang eingenommen werden mussten, bevor sie Ergebnisse zeigten und es aufgrund von Nebenwirkungen nicht auf den Markt schafften.