Viele Kohlenstoffspeicher könnten verschwinden

Hohe CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre können das Wachstum von Pflanzen antreiben. So wird zumindest ein Teil der menschgemachten Emissionen abgefedert. Laut einer neuen Studie drohen diese natürlichen Kohlenstoffsenken aber vielerorts abhandenzukommen, weil etwa Wälder zu Buschland werden.

Rund ein Drittel der vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen werden von der Natur wieder eingefangen und gespeichert. Verändert sich dieser Puffereffekt, hat das auch beträchtliche Auswirkungen auf diverse Szenarien zum ohnehin fraglichen Erreichen der Pariser Klimaziele. Vor allem eine starke Destabilisierung von Systemen, die bisher durch den Aufbau von Biomasse viel Kohlenstoff einlagern konnten, zeigt die nun im Fachblatt „Nature“ erschienenen Studie des weitverzweigten internationalen Forschungsteams um Marcos Fernández vom Ecological and Forestry Applications Research Centre (CREAF) in Spanien und von der Uni Antwerpen.

Über den Zeitraum von 1981 bis 2018 hat das Forschungsteam die Entwicklung mit zwei Modellen zur Abschätzung der Vorgänge in der Atmosphäre, Daten zu den CO2-Konzentrationen in der Luft im Jahresverlauf von neun Messstationen und Vegetationsmodellen analysiert, schreiben sie in ihrer Arbeit. Was sich in erster Linie offenbarte, war eine zunehmende Unsicherheit bei der Kohlenstoffaufnahme der Landökosysteme in großen Regionen der Welt.

Destabilisierte Ökosysteme

So unterscheide sich das Verhältnis des aufgenommenen und in die Atmosphäre abgegebenen Kohlendioxids in diesen Gegenden über die Zeit hinweg mitunter stark. So habe es Zeitabschnitte gegeben, in denen viel Pflanzenwachstum verzeichnet wurde, die dann mitunter recht rasch von Perioden gefolgt wurden, wo dem nicht so war. Das werten die Forscher und Forscherinnen, zu denen auch der aus Österreich stammende Direktor des Environmental Change Institute der Oxford University, Michael Obersteiner, zählte, als Hinweis auf eine Destabilisierung und zunehmend abrupte Veränderungen in Ökosystemen.

Innerhalb der vielfach sprunghaften Entwicklung wurde auch einen Trend in eine besorgniserregende Richtung beobachtet: Denn insgesamt habe sich im Untersuchungszeitraum die Chance erhöht, dass auf „eine niedrige Kohlenstoffaufnahme in einem Jahr mit größerer Wahrscheinlichkeit eine noch geringere Aufnahme im darauffolgenden Jahr“ folgt, so Fernández in einer Aussendung.

Unumkehrbare Veränderungen

So könnten sich über längere Zeiträume hinweg tiefgreifende Veränderungen einstellen. Etwa wenn im Mittelmeerraum Wälder zu Buschland werden und unter den aktuellen Klimabedingungen mit im Schnitt höheren Temperaturen die Chancen weiter schwinden, dass sich diese Entwicklung wieder umkehren lässt, so das Team. Das größte Risiko, in solche Abläufe hineinzugeraten, haben Regionen mit viel landwirtschaftlicher- und wenig Waldfläche, die in bereits wärmeren Weltgegenden liegen und in denen sich die Temperaturunterschiede und Extremwetterlagen zuletzt verstärkt haben. Dazu zählen neben der Mittelmeerregion auch noch Ostafrika, die Westküsten von Nord- und Mittelamerika, Indien und Pakistan sowie Südostasien.

Es gebe aber auch Regionen, in denen sich im Beobachtungszeitraum statistisch gesehen die Kohlenstoffaufnahme erhöht habe: Dazu zählen Teile von Zentral- und Nordeuropa und überraschenderweise die Amazonasregion. Dennoch, sind in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Forschungsgruppe um Tim Lenton von der Exeter University im Amazonas die ersten Frühwarnsignale eines Verlustes der Funktion als Kohlenstoffsenke gemessen worden, erklärte Obersteiner, der auch am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätig ist, gegenüber der APA. Würden sich nun die Hinweise auf einen zunehmenden Verlust der natürlichen Kohlenstoffsenken weiter verdichten, müssen die Emissionsreduktionsziele der Energiewirtschaft und Industrie „signifikant revidiert werden“.