Grindwal
Francis Perez
Francis Perez
Biologie

Zahnwale kommunizieren über die Nase

Delfine, Orcas und Pottwale sind den Menschen in manchen Bereichen ähnlicher als gedacht: Forscherinnen und Forscher haben herausgefunden, dass sie ihre Klick-, Brumm- und Pfeiflaute auf die gleiche Weise produzieren, mit der auch Menschen ihre Stimme nutzen. Anders als bei den Menschen liegt das Stimmorgan der Meeresbewohner aber nicht im Hals, sondern in der Nase.

Die Gruppe der Zahnwale, zu der unter anderem Delfine, Pottwale oder Orcas gehören, jagt oft in sehr tiefem und dunklem Wasser. Die Tiere sind daher auf laute Klickgeräusche angewiesen, um ihre Beute mittels Echoortung aufzuspüren. Die Klicks bestimmter Zahnwalarten können dabei unter Wasser eine Lautstärke von bis zu 200 Dezibel erreichen – an Land wäre das mit lauten Explosionen oder gar Vulkanausbrüchen vergleichbar.

Gleichzeitig können Zahnwale aber auch eine ganze Reihe anderer Töne produzieren, wie etwa lautes Brummen oder melodiöses Pfeifen, um mit ihren Artgenossen zu kommunizieren.

Komplexe Laute auch in tiefem Wasser

Schon länger wird angenommen, dass die Laute der Zahnwale in ihrem Nasenbereich entstehen. Welche Mechanismen genau dahinterstecken, war bisher aber eher unklar. Genaue Untersuchungen dazu erfordern Forschung an lebenden Tieren, was in der Praxis oft ein Problem darstellt. „Was beim Menschen relativ einfach ist – nämlich eine endoskopische Untersuchung, bei der man wirklich die schwingenden Stimmlippen im Hals sieht, ist bei wilden Tieren und vor allem bei Zahnwalen im tiefen Wasser natürlich extrem schwierig“, erklärt der österreichische Stimmforscher Christian Herbst gegenüber science.ORF.at.

Unterwasseraufnahme eines Schweinswals, der mit einem Summen von 400 Klicks/Sekunde einen Fisch fängt

Einem Forschungsteam aus Dänemark und Deutschland ist nun aber genau das gelungen – es konnte die Stimmproduktion auch bei lebenden Vertretern der Zahnwale erforschen. Verbunden mit weiteren Untersuchungen im Labor hat sich dabei gezeigt, dass die Klicks und andere Geräusche tatsächlich im Nasenbereich der Tiere entstehen. Durch eine besondere Form ihres Stimmorgans ist es den Zahnwalen möglich, ihre komplexen Laute auch in tiefem Wasser und unter viel Druck zu produzieren. Die Forscherinnen und Forscher präsentieren die Ergebnisse ihrer Untersuchung aktuell im Fachjournal „Science“.

Gemeinsames Prinzip der Stimmproduktion

Herbst selbst war an der Untersuchung nicht beteiligt, der Stimmforscher hat aber einen ebenfalls im Fachjournal „Science“ erschienenen Artikel über die Studie mitverfasst. Dass das Stimmorgan der Zahnwale in ihrer Nase liegt, war für ihn dabei wenig überraschend – sehr wohl aber die Mechanismen, die dahinterstecken. Bisher war man sich nicht sicher, ob die unterschiedlichen Laute der Zahnwale durch den Gebrauch von Atemluft oder durch das gezielte Anspannen bestimmter Muskeln entstehen. Letztere Herangehensweise nutzen etwa Katzen beim Schnurren.

Die Zahnwale produzieren ihre Klick- und Pfeifgeräusche hingegen auf die gleiche Weise wie Menschen. Sie nutzen ihre Atemluft, um Gewebe zum Schwingen zu bringen, was, wie auch bei den menschlichen Stimmbändern, für Töne sorgt. „Das Faszinierende an dem Ergebnis ist, dass es scheinbar ein übergreifendes physikalisches Prinzip der Stimmproduktion gibt, das sowohl von Menschen, Vögeln und eben auch den Zahnwalen genutzt wird – nämlich, dass Atemenergie in akustische Energie umgewandelt wird“, so Herbst. Der Mechanismus sei dabei immer derselbe, nur der Ort des Stimmorgans unterscheide sich. „Wir Menschen machen das im Hals, Vögel im Bereich des Brustkorbs und Zahnwale in der Nase.“

Hier produzieren sogenannte Schweinswale ihre Laute – der gelb markierte Bereich ist wichtig, um die Töne an das umliegende Wasser abzuleiten.
Christian B. Christensen, Aarhus University
Hier produzieren Schweinswale ihre Laute – der gelb markierte Bereich ist wichtig, um die Töne an das umliegende Wasser abzuleiten.

Ein Organ, verschiedene Töne

Was Herbst an den Ergebnissen der Untersuchung außerdem fasziniert, sind die vielen verschiedenen Laute, die die Zahnwale in der Nase produzieren können. „Für die Klick- und Pfeifgeräusche müssen sie ihre Stimmlippen komplett unterschiedlich zum Schwingen bringen.“ In der Forschung spricht man dabei auch von Stimmregistern. Dass mehrere dieser Register in einem einzigen Stimmorgan entstehen können, kennt man sonst nur von Menschen und Vögeln. Die Unterschiede in den Klick-, Brumm-, oder Pfeifgeräuschen der Zahnwale seien dabei vergleichbar mit jenen zwischen der Brust- oder Kopfstimme bei Menschen, so Herbst.

Die Untersuchung des Forschungsteams sei ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche spartenübergreifende Zusammenarbeit in der Wissenschaft, so Herbst: „Methoden aus der Stimmforschung und der Medizin wurden hier im Bereich der Biologie angewandt, um aufgestellte Vermutungen zu überprüfen und zu bestätigen.“

Auch wenn derartige interdisziplinäre Kooperationen bereits häufiger werden, fehle in vielen Fällen noch der direkte Austausch zwischen Biologen, Stimmforschern und Medizinern. Herbst hofft, dass sich die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen der Wissenschaft künftig noch weiter verbessert.