In Vorbereitung auf das Projekt wurden in Island bereits Untersuchungen durchgeführt
European Molecular Biology Laboratory (EMBL)
European Molecular Biology Laboratory (EMBL)
Europäische Küsten

Expedition erforscht Gefahren für Umwelt

In zwei Jahren alle Küsten Europas abfahren und vor Ort Proben entnehmen – das ist das Ziel der Expedition TREC: Forscherinnen und Forscher untersuchen unter anderem, wie stark Mensch, Klimaerwärmung und Schadstoffbelastung die Ökosysteme an Land und im Wasser beeinflussen. Frankreich ist das erste Ziel der Expedition – die Untersuchungen sollen diese Woche starten.

TREC steht für „Traversing European Coastlines", was ungefähr so viel heißt wie “europäische Küsten überqueren“. Im europaweiten Projekt arbeiten Forscherinnen und Forscher des gesamten Kontinents zusammen, um so viel wie möglich über die europäischen Küstenregionen und die dortigen Ökosysteme in Erfahrung zu bringen.

Im Rahmen des Projekts teilen die Expertinnen und Experten nicht nur ihre Erfahrung über Landesgrenzen hinweg, sie arbeiten und forschen auch gemeinsam in den Laboren und Forschungseinrichtungen zahlreicher europäischer Organisationen. Dazu gehört das für das Projekt hauptverantwortliche Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) im deutschen Heidelberg, die französische Tara Ocean Foundation, das European Marine Biological Resource Centre (EMBRC), und zahlreiche weitere Partnerorganisationen.

Wissenschaft auf vier Rädern

Im Zentrum des Projekts stehen die zwei hochmodernen mobilen Labore, die an den europäischen Küstenregionen unterwegs sind. Innerhalb von zwei Jahren werden sie in mindestens 22 Ländern Halt machen. Insgesamt wollen die Forscherinnen und Forscher so Proben von mehr als 120 Küsten aus rund 50 Regionen sammeln, die dann später zum Teil gleich vor Ort, zum Teil aber auch in den beteiligten Forschungseinrichtungen in der Umgebung untersucht werden.

Das kleinere der mobilen Labore, die im Rahmen von TREC unterwegs sind
Kinga Lubowiecka
Das kleinere der beiden mobilen Labore, die im Rahmen von TREC an Europas Küsten unterwegs sind

Eines der mobilen Labore ist so groß wie ein kleiner Transportwagen, das andere befindet sich in einem Lkw. Vorteile ergeben sich vor allem durch die Nähe zum Forschungsstandpunkt. Zahlreiche Organismen kommen in der Natur zwar häufig vor, den Weg in normale Labore überleben sie aber oft nicht oder man kann sie dort nicht weiter kultivieren. „Das heißt, mit einem normalen Ansatz kann ich die gar nicht studieren“, erklärt der österreichische Meeresbiologe Nikolaus Leisch vom EMBL.

Leisch ist am Projekt selbst beteiligt und für den Aufbau der mobilen Labore verantwortlich. Ihm zufolge ergeben sich durch die neuen Forschungseinrichtungen auf vier Rädern einige Chancen für die Wissenschaft. „Wir können jetzt das Labor zur Biologie bringen, anstatt die Proben immer ins Labor bringen zu müssen“, so Leisch gegenüber science.ORF.at. Damit und mit den hochmodernen Geräten an Bord sei es den Forscherinnen und Forschern möglich, genauer denn je zu erkennen, welche Organismen in einer Region tatsächlich vorkommen und wie Menschen die dortigen Ökosysteme beeinträchtigen.

Große Vielfalt, viele Menschen

Gesammelt und untersucht wird von den Forschungsteams alles, was sie an den Küsten finden können – angefangen bei den kleinsten Teilchen auf molekularer Ebene bis hin zu größeren Organismen und Zellgruppen in der Erde, der Luft, im Sand und im Wasser.

Europas Küsten sind für die Beteiligten besonders interessant, weil dort viele unterschiedliche Lebensräume miteinander verschmelzen. „Man hat einen Strand, es gibt Sand, der auch zum Teil schon vom Meer bedeckt wird, vielleicht auch noch Dünen im Hintergrund und vieles mehr“, sagt Leisch.

Neben einer großen Artenvielfalt in der Natur spielt aber auch der Mensch in den Küstenregionen eine große Rolle. Rund vierzig Prozent der europäischen Bevölkerung leben in oder in der Nähe von Küstenregionen. Zahlreiche große Städte und Industrieregionen befinden sich direkt am Meer. „Leider, muss man sagen, tut der Mensch vielen Küstenregionen nichts Gutes. Für uns ist es daher natürlich auch ein interessanter Aspekt, zu vergleichen, wie sehr der Mensch die Natur dort beeinflusst“, so Leisch.

Bei einem Test des Projekts wurden schon 2019 Proben des Meerwassers vor Neapel (Italien) entnommen
Patrick Mueller/EMBL
In Vorbereitung auf TREC wurden schon 2019 Proben aus dem Meerwasser vor Neapel (Italien) entnommen

Zum Schutz der Ökosysteme

Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich, mit der Expedition viele neue Details über den derzeitigen Zustand der Küstenökosysteme in Erfahrung zu bringen. Aktuelle und auch künftige Gefahren für die dortige Umwelt und Artenvielfalt könnten so früher erkannt werden, was womöglich auch erlaubt, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu setzen.

Vor allem in Anbetracht der fortschreitenden Klimaerwärmung und der zunehmenden Schadstoffbelastung der Meere ist es laut Leisch dringend nötig, die einzelnen Organismen und Systeme in den Küstenregionen besser zu verstehen und herauszufinden, wie sie auf die negativen Einflüsse von außen reagieren.

Veranstaltungen für Interessierte

Ein wichtiger Teil von TREC ist auch, die Bevölkerung der Küstenregionen über die Forschungsvorhaben und Resultate zu informieren. „Viele möchten natürlich wissen, warum da Personen am Strand und im Meer unterwegs sind und Proben entnehmen“, so Leisch. Daher werden im Rahmen des Projekts regelmäßig Informationsveranstaltungen für Interessierte angeboten – auch online.

Außerdem werden die am Projekt beteiligten Expertinnen und Experten in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen unterwegs sein, um mit ihrem Vorhaben auch jüngere Generationen zu motivieren, sich aktiv an Wissenschaft zu beteiligen.

Erste Untersuchungen gestartet

Am Sonntag ist das letzte der beiden mobilen Labore zum geplanten Startpunkt der Expedition aufgebrochen. Es hat den französischen Hafen von Lorient verlassen, um zur ersten Probenentnahme im französischen Roscoff zu segeln. Das zweite mobile Labor ist bereits vor Ort und hat die nötigen Vorbereitungen getroffen. Die ersten Untersuchungen sollen demnach bereits laufen oder Anfang der Woche starten.

Fast zwei Jahre werden nun Proben gesammelt. Laut Leisch ist die Arbeit dann aber noch lange nicht getan: „Die Aufarbeitung der Daten dauert sicher noch um einiges länger und wird wahrscheinlich Daten über die nächsten zehn Jahre generieren.“