Spritze mit Tropfen an der Nadel
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
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Immunisierung

Fortschritte bei Universalimpfstoff gegen Grippe

Wie gut eine Grippeimpfung schützt, hängt davon ab, ob der Impfstoff auf jenen Virusstamm abzielt, der im Winter kursiert. Darum arbeiten viele Forschungsteams an einem Universalimpfstoff, der möglichst viele Erregervarianten umfasst. Eine klinische Studie mit 52 Freiwilligen liefert nun vielversprechende Ergebnisse.

Alle Jahre wieder diskutieren Mediziner und Impfstoffentwickler darüber, welcher Grippestamm dominant sein wird, um einen möglichst passenden Impfstoff herzustellen. Für die kommende Grippesaison 2023/2024 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sich bei der Zusammensetzung der Vakzine auf vier Influenza-Stämme zu konzentrieren. Darunter ist heuer auch ein Virusstamm aus Österreich aus dem Jahr 2021 (B/Austria/1359417/2021). Eine exakte Wissenschaft ist das selbstverständlich nicht. Liegt die Forschungscommunity falsch, kann die Impfung die jährlichen Wellen weniger abflachen als erhofft.

In den USA gab es in den vergangenen zehn Jahren jährlich zwischen 12.000 und 52.000 Influenza-Tote. In Österreich sind es laut dem Gesundheitsministerium im Schnitt mehr als 1.000 Todesfällen pro Jahr. Influenzaviren tragen auf ihrer Oberfläche einen Eiweißstoff namens „Hämagglutinin“, der sie in die Wirtszellen leitet. Die meisten saisonalen Impfstoffe machen das Immunsystem auf dessen exponierten „Kopf“-Abschnitt aufmerksam, damit es die Viren daran erkennt und zerstört. Hier gibt es aber immer wieder mitunter signifikante Veränderungen.

Da auch die Dauer der Herstellung der Vakzine die Flexibilität einschränkt, gibt es einen Bedarf an „suprasaisonalen oder universalen Influenza-Impfstoffen“, die effizient hergestellt werden können, schreiben die Forscher in der aktuellen Arbeit, an der auch der am Mount Sinai School of Medicine in New York tätige gebürtige Oberösterreicher Peter Palese beteiligt war.

Anderer Virusteile als Ziel

Das Team um die Erstautorin der im Fachblatt „Science Translational Medicine“ erschienenen klinischen Studie zu dem experimentellen Universalimpfstoff, Alicia Widge, vom Vaccine Research Center (VRC) des National Institutes of Health (NIH) in den USA, erprobten nun ihren Ansatz erstmals an Menschen. Das Gros der 52 Testpersonen zwischen 18 und 70 Jahren erhielt zwei Dosen des Vakzins in einem zeitlichen Abstand von 16 Wochen.

Der sogenannte „H1ssF-Influenza-Impfstoff“ enthält Nanopartikel des H1-Hämagglutininstammes. Diese stammen jedoch nicht von dem recht wandelbaren Hämagglutinin-Kopf, sondern von der Stamm- oder Halsstruktur des Eiweißstoffes. Diese Teile des Virus sind über verschiedene Typen des Erregers nämlich sehr ähnlich gestaltet. „Daher ist der Stamm ein vielversprechendes Ziel für einen Universalimpfstoff“, so die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Das Team setzte hier auf Teile eines in Neukaledonien im Jahr 1999 aufgetauchten Influenzastammes, dessen Halsstruktur immer noch zu über 90 Prozent mit weit später entstandenen Abkömmlingen übereinstimmt.

Sicher und verträglich

Die Ergebnisse zeigen nun, „dass das H1ssF-Vakzin sicher, gut verträglich und immunogen ist“, heißt es in der Studie. Unter den Testpersonen gab es kaum Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen. Den Analysen zufolge stieß der Impfstoff eine ausgeprägte und lange anhaltende, vor allem Grippeviren der „Gruppe 1“ neutralisierende Antikörperreaktion an. Zu dieser Gruppe gehören u.a. die Subtypen H1, H2 oder H5. Deutlich weniger ausgeprägt war sie bei der „Gruppe 2“, in die beispielsweise H3- oder H10-Grippeviren eingeteilt werden. Bei letzteren beiden Subtypen blieb die Neutralisierungswirkung aus.

Gerade die für die Erinnerung an die Teile des Virus zuständigen B-Zellen produzieren durch das neue Vakzin angeregt Antikörper, die sich gegen zwei Teile des Erreger-Stammes richten, die besonders unveränderlich erscheinen. Mit Booster-Substanzen, sogenannten Adjuvantien, könnte die Wirksamkeit überdies weiter verstärkt werden.

Insgesamt glauben die Forscher und Forscherinnen an die Vorteile ihres Nanopartikel-Vakzins auf Basis des Eiweißstoffes Ferritin, da man nicht auf die zeitaufwändige Herstellung in Hühnereiern angewiesen ist. Außerdem könnten die Wirkstoffe rasch angepasst werden, falls sich der Erreger im Laufe einer Epidemie stärker verändert.