Eine Biene fliegt zur Blüte eines Kirschbaums
AFP – CHRISTOF STACHE
AFP – CHRISTOF STACHE
Artenvielfalt

Start zur „City Nature Challenge“

Möglichst viele wildlebende Tiere sowie wildwachsende Pflanzen und Schwammerln in einer Stadt beobachten und fotografieren: Das ist das Ziel der „City Nature Challenge“. Jeder und jede kann dabei mitmachen – von heute bis Montag in 400 Orten rund um die Welt, elf davon in Österreich.

Die „City Nature Challenge“ ist das weltweit größte Citizen-Science-Biodiversitätsprojekt und beruht auf der App iNaturalist. Mit ihr ist das Bestimmen von Arten sehr einfach. Was als Projekt einer Masterarbeit begann, entwickelte sich zu einer weltweiten Meldeplattform für Tier-, Pflanzen- und Pilzarten.

134 Millionen Datensätze weltweit

Den Menschen wieder mehr mit der Natur zu verbinden. Das war mit ein Grund, weshalb sich drei Studierende aus dem US-Bundesstaat Kalifornien 2008 dazu entschlossen haben, iNaturalist zu entwickeln. Ein weiterer: die digitale Sicherung der Artenvielfalt. Heute zählt das System mehr als 134 Millionen Datensätze weltweit. Und das globale Phänomen eines immer schneller wachsenden Netzwerkes an Beobachterinnen und Beobachtern scheint nicht abzureißen.

Ein Schnappschuss oder eine Tonaufnahme der gefundenen Art, sowie das rasche Hochladen auf einer benutzerfreundlichen App, machen den Zugang selbst für Laien unkompliziert und erwecken Neugier. Mit Google-Maps im Hintergrund, Verlinkungen zu Wikipedia und zahlreichen internationalen Fachleuten im Hintergrund, lässt sich nicht nur der exakte Standpunkt der Art festhalten, sondern auch deren Klassifikation teils bis auf das Artniveau zurückverfolgen.

Daten für die Wissenschaft

Wenn eine Beobachtung dreimal von unterschiedlichen Personen als eine bestimmte Art identifiziert worden ist, erreicht dieser Fund laut Richtlinien von iNaturalist „Forschungsqualität“. 424.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten konnten somit bis heute festgehalten werden. Das entspricht in etwa 25 Prozent der bisher bekannten Arten der Erde. Daten, die vor allem für die Wissenschaft von Bedeutung sind und neben der Erstellung von Roten Listen helfen sollen, Verbreitungsmuster besser zu verstehen.

Graz als Musterschüler

Ein europäischer Musterschüler in Sachen Artenbeschreiben ist Graz. Denn bei der „City Nature Challenge“ ist die steirische Landeshauptstadt in der Kategorie „registrierte Arten“ seit zwei Jahren Europameister. Graz sowie seine umgebenden Gebiete zählen zu den artenreichsten Gegenden Europas.

Durch eine gemischte Exposition von flachen und wärmebegünstigten Standorten sowie alpinen Bereichen konnte eine große Artenvielfalt entstehen. Im Vorjahr wurden in den vier Tagen der Challenge 2.825 Arten fotografiert. Darunter auch ein Neunachweis für die Steiermark, der Südliche Rindenkugelpilz (Biscogniauxia mediterranea), dessen Vorkommen bisher in der Steiermark nicht bekannt war.

Südlicher Rindenkugelpilz, der in der Steiermark gefunden wurde
Gernot Friebes
Südlicher Rindenkugelpilz, der in der Steiermark gefunden wurde

City Nature Challenge – worum es geht

Dieses Jahr geht die „City Nature Challenge“, deren Austragungsorte mittlerweile mehr als 400 Städte umfasst, in ihre achte Runde. Über die Jahre hat sich das internationale Event weit über die eigentlichen Stadtgrenzen hinausverlagert. So nimmt Luxemburg inzwischen als ganzes Land teil, während sich das Projekt in den meisten europäischen Ländern noch auf Städte konzentriert.

Von Freitag, den 28. April, bis Montag, den 1. Mai, läuft der Wettbewerb, bis zum 7. Mai können in die App Fotos hochgeladen werden. Und so funktioniert es: Fotos von den beobachteten Arten machen und in der App hochladen. Danach hat man die Wahl, entweder selbst eine Artbestimmung abzugeben oder sich mittels Suchalgorithmus einen Vorschlag geben zu lassen. Kann nicht bis zum Artniveau bestimmt werden, stellt das kein Problem dar, denn Fachleute weltweit sehen sich die Fotos an und können gegebenenfalls aushelfen. Alle gesammelten Daten fließen automatisch in das Projekt der jeweiligen Stadt ein und tragen zum Gesamtergebnis bei.

Bewusstsein für Arten bilden

Gernot Kunz, Lektor am Institut für Biologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Universalmuseum Joanneum, erklärt, was für ihn die großen Vorteile an iNaturalist sind: „Das eine ist die Biodiversitätsforschung. Dass man viele Datensätze in kurzer Zeit produzieren kann, die wissenschaftlich wertvoll sind. Aber auch in der Lehre hat die App für mich eine sehr wertvolle Bedeutung. Schüler und Schülerinnen in ihrer Freizeit zum Beobachten und autodidaktischem Lernen zu motivieren, ist ein ganz wesentlicher Bestandteil.“

In seinen Bestimmungskursen auf der Universität sei iNaturalist seit Jahren im Einsatz – und die ideale Gelegenheit, das Erlernte praktisch anzuwenden. Umso wichtiger, denn wie er weiter ausführt, gehe die Artenkenntnis unter den jungen Menschen immer weiter zurück. Die modernen Disziplinen der Biologie, wie etwa die Genetik oder Molekularbiologie, aber auch der Biologieunterricht in der Schule würden einiges dazu beitragen. „Die Zeit, in der einem Kind eine Artenkenntnis vermittelt wird, ist praktisch null geworden. Auch viele Lehrkörper besitzen diese heute nicht mehr."

Doch mit iNaturalist soll es zu einer neuen Sensibilisierung kommen – einer App, die mittlerweile rund um den Globus genutzt wird. Letztes Jahr wurden innerhalb der vier Tage der „City Nature Challenge“ mehr als 1,5 Millionen hochgeladene Fotos verzeichnet. Neben der Wissenschaft profitieren auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – sie können die Natur vor ihrer eigenen Haustür besser kennenlernen.