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Schmetterlingskinder

Erste Gentherapie über Haut vor Zulassung

Bei der Schmetterlingskrankheit löst sich die Haut bei kleinsten Berührungen, unerträgliche Schmerzen sind die Folge. Eine neue Therapie über die Haut setzt nun bei diesem Fehler im Erbgut an. Sie soll noch im Mai in den USA zugelassen werden – und zeigt einmal mehr, welche Fortschritte der Medizin in Sachen Gentherapie bisher gelungen sind.

Beim Menschen besteht die Haut aus Ober-, Leder- und Unterhaut. Diese drei Schichten sind durch Fasern fest miteinander verbunden, zusammengehalten werden sie von einem speziellen Kollagen. Genau dieses Eiweiß fehlt Menschen mit Epidermolysis bullosa (EB), auch Schmetterlingskrankheit genannt. „Bei den Schmetterlingskindern fehlt das Kollagen VII oder es wird falsch gebildet. Deshalb reicht schon eine geringe mechanische Schädigung der Haut und es kommt einer schmerzhaften Blasenbildung“, so Johann Bauer, medizinischer Leiter der Spezialklinik im EB-Haus in Salzburg.

Schmerzhafte Umarmungen

Geringe Impulse können also die Haut schädigen, stärkere Reize wie Umarmungen sind unmöglich, weil die Haut sofort aufspringt und tiefe Wunden entstehen. In Österreich sind davon rund 500 Menschen betroffen, in Europa leben rund 30.000 Menschen mit EB. Beim Kollagenmangel setzt nun eine neuartige Therapie an, für die einfache Herpes-Viren – die bekannten Auslöser von Fieberblasen – verwendet werden: „Dieses Virus ist inaktiviert, damit es keinen Schaden anrichten kann. Aber es ist in der Lage, das Kollagen-VII-Gen bei den Schmetterlingskindern zu produzieren.“

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Berührungen und Kontakt mit Wasser, etwa beim Händewaschen, verursachen bei Schmetterlingskinder nicht nur Schmerzen, die Haut bildet auch Blasen und springt auf. Ein neues Gel soll den genetischen Fehler in der Haut überbrücken.

Das Besondere an dieser Form der Gentherapie: Sie wird wie eine Creme auf die Haut aufgetragen, die Viren verändern nicht das Erbgut der Hautzellen, regen aber die Produktion des Kollagens an. Bisherige Studien in den USA haben gute Ergebnisse gezeigt, so EB-Spezialist Bauer: „Da zeigt sich, dass bei 67 Prozent der Patienten mit diesem Gel ein kompletter Wundverschluss vorhanden war. Bei Patienten, bei denen Placebo aufgetragen wurde, haben sich die Wunden nur zu 22 Prozent verschlossen. Der Unterschied war also sehr signifikant, und das ist wirklich Anlass zu großer Hoffnung für diese Schmetterlingskinder.“

Studien auch in Europa

Sobald das neue Gel für Schmetterlingskinder in den USA zugelassen wird, starten auch in Europa Studien. Mit dabei wären dann auch die Salzburger Mediziner und jene Patientinnen und Patienten, deren Haut besonders verletzlich ist. „Wir betreuen rund 30 Patientinnen und Patienten mit den schwersten Formen der Schmetterlingskrankheit. Bei ihnen müssen wir regelmäßig die Haut begutachten und kontrollieren, ob kein Hautkrebs entsteht“, so Bauer. Denn das sei die große Gefahr: „Wenn Wunden länger bestehen, entsteht häufig Hautkrebs.“

Das Gel sei eine wichtige Ergänzung zu bereits bestehenden Therapien, die die betroffenen Menschen allerdings stark belasten – so wurde vor sechs Jahren unter Beteiligung der Salzburger Spezialisten einem Buben genetisch veränderte Haut transplantiert, seine Haut ist heute zu 80 Prozent intakt.

Hoffnung bei schweren Erkrankungen

Die Schmetterlingskrankheit ist nicht das einzige Feld, in dem Fortschritte mit Gentherapie gelungen sind. Fehler im Erbgut therapeutisch auszugleichen, um damit schwere Krankheiten zu mildern, daran arbeitet man schon länger. So sind etwa bei Bluterkrankungen bereits erste Therapien zugelassen, eine weitere kommt demnächst – auch in Österreich.

Die Biochemikerin Gabriele Werner-Felmayer, Mitglied der österreichischen Bioethikkommission von der Medizinischen Universität Innsbruck, sieht im Gespräch mit dem Ö1 Mittagsjournal vor allem im Bereich der seltenen Erkrankungen großes Potenzial für gentherapeutische Anwendungen – aber nicht nur: „Auch bei der Krebstherapie sind zuletzt große Fortschritte gelungen, vor allem bei der Behandlung von Haut- und Blutkrebs.“

Vorsicht bei Eingriffen ins Erbgut sei angebracht, so Werner-Felmayer, vor allem, wenn sie vererbt werden. „Solche Eingriffe sind aber weltweit verboten.“ Alles abzulehnen, das mit Genen zu tun hat, wie in Österreich weit verbreitet, stellt die Forscherin hingegen in Frage: „Ohne Gene könnten wir nicht existieren, wir müssen sie nur gut verstehen“.