Frauenhand mit Weinglas
Andrew Baker/stock.adobe.com
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Dialogwoche

Auslöser für Alkoholsucht bei Frauen

Frauen geraten oft aus anderen Gründen in eine Alkoholsucht als Männer, erklärt eine Expertin anlässlich der österreichweiten „Dialogwoche Alkohol“. Als Auslöser gelten etwa Gewalterfahrungen und Überlastung. Das müsse man auch bei der Therapie berücksichtigen, damit diese langfristig erfolgreich sein kann.

Etwa jeder achte Mensch in Österreich ist im Laufe seines Lebens von einem problematischen Alkoholkonsum betroffen. Derzeit gelten etwa 370.000 Menschen in Österreich als alkoholkrank, 100.000 davon sind weiblich. Der relative Anteil von Frauen hat aber in den letzten Jahren deutlich zugenommen, denn Frauen holen bei allen Süchten auf, besonders stark etwa beim Rauchen.

Hinweis

Von 8. bis 14. Mai 2023 findet die vierte Österreichische Dialogwoche Alkohol statt. Ziel der Initiative: Man will sachlich über Alkohol informieren sowie anregen, über den eigenen Alkoholkonsum nachzudenken und ins Gespräch zu kommen.

Einen Grund, warum immer mehr Frauen alkoholsüchtig werden, sieht die Psychologin Barbara Schreder-Gegenhuber vom Suchthilfezentrum Schweizerhaus Hadersdorf in Wien in der Aneignung von männlichem Konsumverhalten als Zeichen der Emanzipation. „Ein Stück weit ist es ein Zeichen dafür, dass Frauen mit den Rollen aufbrechen wollen, die ihnen zugeschrieben werden.“ Frauen ziehen also nach, sie machen Karriere und gehen auf einen After-Work-Drink, zu Netzwerktreffen oder machen abends Party – und Alkohol ist, zumindest in Österreich, ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens.

Frauen trinken heimlich

Dass Frauen – genau wie Männer – in der Öffentlichkeit trinken und auch betrunken sind, sei lange Zeit Tabu gewesen. Allerdings: Die Dunkelziffer bei Alkoholismus ist hoch, und die trinkende Hausfrau aus früheren Jahrzehnten war wohl auch nicht so selten – aber eben unsichtbarer.

Aber Frauen und Männer sind auch heute nicht komplett gleichgestellt. Die Erwartungen an Frauen seien andere als an Männer, und das habe Konsequenzen beim Alkoholmissbrauch, so Schreder-Gegenhuber: „Das hat zur Folge, dass Frauen versteckter konsumieren, dass sie heimlich trinken und in der Regel auch andere Substanzen konsumieren als Männer.“ Sekt und Wein seien typische Suchtgetränke bei Frauen. Sie ermöglichen, länger zu funktionieren und die Fassade aufrechtzuerhalten.

Alkohol als Ventil

Alkohol sei für viele Frauen ein Ventil, mit dem sie emotionale Belastungen kompensieren. Sie arbeiten öfter in fordernden sozialen Berufen, etwa als Pflegerinnen und Pädagoginnen. Danach kommen oft Haushalt und Kinder. „Wir wissen, dass durch diese multiplen Belastungen die eigenen Bedürfnisse untergehen“, so Schreder-Gegenhuber. Während der Stress bei Männern häufig auf den Job fokussiert sei und sie sich in der Freizeit einen Ausgleich schaffen, etwa beim Sport und beim Treffen mit Freunden, hüten Frauen nach der Arbeit öfter die Kinder und erledigen den Haushalt.

Wenn Frauen zum Alkohol greifen, haben sie außerdem besonders oft Gewalt erlebt, erzählt Schreder-Gegenhuber. Das könne sexuelle Gewalt in der Kindheit oder Jugend gewesen sein oder auch aktuelle Gewalt in Partnerschaften.

Gewalterfahrungen oft ein Auslöser

Sie geht davon aus, dass 20 bis 40 Prozent der suchtkranken Frauen in der Kindheit sexuelle Gewalterfahrungen gemacht haben. Bei illegalen Drogen sei dieser Prozentsatz noch viel höher. Eine Therapie, die aus der Sucht führen soll, müsse bei Frauen dort ansetzen.

„Wir müssen auf das Thema Gewalt, auf traumatische Erfahrungen oder auch psychische Begleiterkrankungen, die bei Frauen häufiger sind als bei Männern, genauer eingehen und wir brauchen Therapeutinnen, die zusätzliches Wissen in diesen angrenzenden Bereichen haben“, meint Schreder-Gegenhuber.

Andere Schwerpunkte in Therapie

Sie hat im Jahr 2020 die Gesundheitsgreisslerei in Wien-Favoriten mitbegründet. Hier gibt es ambulante Suchtbehandlung speziell von und für Frauen. Entstanden ist die Idee aus der Erfahrung heraus, dass Frauen, die Erfahrungen mit gewalttätigen Männern haben, einen sicheren Raum brauchen und nicht mit Männern in einem Wartezimmer oder in einer Therapiegruppe sein möchten.

Die Suchttherapie für Frauen setzt auch andere Schwerpunkte, die den Bedürfnissen der Frauen eher entsprechen. Neben der Gewalterfahrung sei das zum Beispiel das Thema der Mutterschaft, denn süchtige Frauen sind oft von schweren Schuldgefühlen geplagt. „Aber auch Selbstfürsorge, das Erlernen des Schauens auf die eigenen Bedürfnisse, das ist etwas, was in der Behandlung mit Frauen eine große Rolle spielt“, fasst Schreder-Gegenhuber zusammen.

Frauenkörper reagieren anders

Auch die Wirkung auf den Körper ist bei Frauen etwas anders als bei Männern. Bei Frauen baut zum Beispiel die Leber den Alkohol langsamer ab. Frauen haben einen anderen Körperbau mit mehr Fettgewebe und weniger Flüssigkeitsanteil, auch deshalb werden sie schneller betrunken, und es kommt auch schneller zu alkoholbedingten Leberschäden oder Krebs. Auch das Brustkrebsrisiko steigt.

Frauen sollten deshalb nur etwa ein kleines Bier pro Tag trinken und an mindestens zwei Tagen pro Woche gar nichts, rät sie. Um zu vermeiden, überhaupt in eine Sucht hineinzugeraten, sollte man sich fragen: Warum trinke ich eigentlich? Ist es für mich ein Genuss, bei schönem Wetter im Schanigarten bei einem Getränk zu sitzen, oder komme ich von der Arbeit nach Hause und denke mir, heute war ein furchtbarer Tag, so viel Stress und Konflikte, jetzt brauche ich Alkohol zur Entlastung und zum Abschalten?

Ein Warnzeichen sei auch, wenn man immer wieder mehr trinkt, als man sich vorgenommen hat – dann sollte Frau sich dringend Hilfe suchen, denn Alkoholsucht ist therapierbar.