Strommasten vor Abendhimmel
APA/HARALD SCHNEIDER
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Honigbienen

Strommasten stören Bestäubung

Hochspannungsmasten stören laut einer neuen Studie das Verhalten von Bienen. Elektromagnetische Felder halten sie davon ab, nahegelegene Pflanzen zu bestäuben. Diese produzieren in der Folge weniger Samen.

Wild- und Nutzpflanzen sind auf bestäubende Insekten angewiesen. Deren Zahl sinkt jedoch seit Jahrzehnten – die Ursachen: Pestizide, veränderte Lebensräume, die Klimaerwärmung und Krankheiten. Besonders bedroht sind Honigbienen – global betrachtet die wichtigsten Bestäuber, wie Marco A. Molina-Montenegro von der chilenischen Universidad de Talca und sein Team kürzlich im Fachmagazin „Science Advances“ ausführten.

Apis mellifera sei durch den Menschen sehr weit verbreitet und bei der Bestäubung sehr effizient. Diese Effizienz könnte aber unter einer weiteren von Menschen gemachten Störquelle leiden: unter elektromagnetischer Strahlung. Wie sehr sich diese auf Insekten im Allgemeinen auswirkt, wurde in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert.

Orientierungslos und gestresst

Honigbienen nutzen jedenfalls für ihre Orientierung das Erdmagnetfeld. Ihr feines Sensorium könne durch künstliche elektromagnetische Felder gestört werden, schreiben Molina-Montenegro und Co. in der Studie: Die Tiere verlieren die Orientierung und finden mitunter nicht mehr zurück zu ihrem Stock.

Biene auf Blüte
APA/ROLAND SCHLAGER
Bienen zählen zu den wichtigsten Bestäubern

Ob sich das auch auf das Verhalten der Bienen bei der Bestäubung und in der Folge auf Pflanzen auswirkt, hat das Team nun mit Experimenten und direkt bei Hochspannungsmasten in Chile untersucht. Die Stärke des magnetischen Felds kann dort knapp zehn Mikrotesla betragen. Laut den Studienautorinnen und -autoren gab es in unmittelbarer Nähe der Strahlungsquelle physiologisch Stressreaktionen bei den Bienen, die sich in Form von biochemischen Markern und der Aktivierung bestimmter Gene nachweisen ließen.

Auch beim Verhalten konnte das Team Veränderungen feststellen. In zehn bis 25 Metern Entfernung von einem aktiven Hochspannungsmasten besuchten deutlich weniger Bienen den dort blühenden Kalifornischen Mohn. Selbst wenn es sehr viele Blüten gab – was normalerweise besonders viele Bienen anzieht – besuchten die Tiere eher weniger blütenreiche Zonen in größerem Abstand zu den Masten.

Weniger Samen

In einem weiteren Schritt untersuchte das Team, ob das auch Folgen für die Pflanzen hat. Tatsächlich produzierte der Mohn in unmittelbarer Nähe der Strommasten weniger Samen. Dass dies auf direkte Auswirkungen des elektromagnetischen Feldes auf den Mohn zurückzuführen ist, konnten die Forscherinnen und Forscher ausschließen: Denn bei händischer Bestäubung produzierten die Pflanzen genauso viel Samen wie an Stellen fernab der Masten. Nur dort, wo sie auf eine Bestäubung durch Bienen angewiesen waren, sank die Samenzahl.

Durch den weltweiten Ausbau der Stromversorgung sowie der Ausbreitung der menschlichen Zivilisation seien immer mehr wildlebende Organismen elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt, heißt es in der Studie. Das wiederum könnte für die Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen – also auch für den Menschen – Folgen haben.