Eine Frau reibt sich den Kopf, weil sie Kopfweh hat
pict rider – stock.adobe.com
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Migräne

Richtige Ernährung beugt Attacken vor

Migräneattacken haben viele Auslöser – ein schwankender Blutzuckerspiegel gehört dazu genauso wie Stress und unregelmäßiger Schlaf. Eine ausgewogene Ernährung ist daher wichtig, in manchen Fällen kann es sich zudem lohnen, bestimmte Lebensmittel aus dem Speiseplan zu streichen. Worauf verzichtet wird, sollten die Betroffenen vorab mit Ärztinnen und Ärzten abklären.

Rund 15 Prozent der Weltbevölkerung sind von Migräne betroffen. „Hochgerechnet auf Österreich sind das circa eine Million Menschen, die betroffen sind“, erklärt Sonja-Maria Tesar gegenüber science.ORF.at. Tesar ist Fachärztin für Neurologie in Kärnten und Präsidentin der österreichischen Kopfschmerzgesellschaft (ÖKSG). Bei Frauen tritt die neurologische Erkrankung rund dreimal so häufig auf wie bei Männern.

Nicht alle Migränepatientinnen und -patienten leiden regelmäßig unter den intensiven Attacken, die oft mit stark pulsierenden Kopfschmerzen, Übelkeit bis zum Erbrechen und einer hohen Geräusch- und Lichtempfindlichkeit einhergehen. Bei etwa einem Zehntel aller Betroffenen liegt eine chronische Migräne vor, bei der es pro Monat mehr Tage mit Kopfschmerzen als kopfschmerzfreie Tage gibt. Auch in milderer Form mindert die neurologische Erkrankung die Lebensqualität der Betroffenen aber meist enorm.

Gut behandelbar

Wenn Migränepatientinnen und -patienten nichts dagegen unternehmen, können die Beschwerden teilweise über eine Woche andauern. Gänzlich heilbar ist Migräne nicht, die neurologische Erkrankung ist mittlerweile aber gut behandelbar, stellt Tesar klar. Mit exakt dosierten Schmerzmitteln sei es etwa möglich, die Attacken akut zu bekämpfen und die Kopfschmerzen im Keim zu ersticken.

Wenn die akute Behandlung nicht ausreicht und die Attacken trotzdem regelmäßig und öfter als drei Mal pro Monat auftreten, gibt es für Migränepatientinnen und -patienten mittlerweile aber auch einige Möglichkeiten der Prophylaxe, um die Häufigkeit und Intensität der Attacken zu senken. Dazu gehören etwa bestimmte monoklonale Antikörper, die ein mit den Attacken in Verbindung stehendes Neuropeptid (CGRP) und dessen Rezeptoren effektiv hemmen.

Keine Ausbreitung festgestellt

Die Zahl der Betroffenen bleibt relativ konstant, so Tesar. In regelmäßigen Untersuchungen stellen Forscherinnen und Forscher meist keinen ernstzunehmenden Anstieg der Fälle fest. Eine gewisse Zunahme an Migränepatientinnen und -patienten habe es in den vergangenen Jahren zwar immer wieder gegeben, laut der Neurologin liegt das aber vor allem an den exakteren Diagnosen und einer größeren Sensibilisierung in der Bevölkerung und der Ärzteschaft.

Im Vergleich zu heute war die Dunkelziffer der nicht diagnostizierten Fälle früher deutlich höher. „Das war eigentlich immer ein bisschen das Problem, dass viele Betroffene nicht richtig diagnostiziert und dann eben vor allem nicht adäquat therapiert wurden“, erklärt die Neurologin. Migräneattacken wurden in der Vergangenheit oft einfach als starkes Kopfweh abgetan – viele Personen traten den Weg zum Arzt gar nicht erst an. „Einige Leute haben einfach versucht, sich selbst zu therapieren“, sagt Tesar. Erfolge blieben jedoch meist aus, was die Lebensqualität der Migränepatientinnen und -patienten oft über Jahre hinweg massiv einschränkte.

Attacken werden häufiger

Die Zahl der Betroffenen bleibt zwar relativ konstant, unter ihnen kommt es laut der Neurologin aber immer öfter zu intensiven Migräneattacken. Ausschlaggebend dafür sei unter anderem auch der zunehmende Stress im Alltag. „Wir sind immer mehr Reizen ausgesetzt und die Erkrankung wird im Auftreten durch Dysbalancen befeuert – dazu zählt natürlich auch Stress“, erklärt Tesar. „Je mehr wir diesem ausgesetzt sind, desto intensiver und häufiger können die Attacken auftreten.“

Aber nicht nur Stress stellt eine Gefahr für die Betroffenen dar, auch andere Abweichungen vom gewohnten Alltag können für Menschen mit Migräne zum Problem werden. Dazu gehören unter anderem auch Unregelmäßigkeiten im Schlaf-Wach-Rhythmus. „Das trifft vor allem Personen, die zum Beispiel einen Schichtdienst ausüben müssen.“

Problem: Schwankender Blutzuckerspiegel

Um den Migräneattacken zusätzlich vorzubeugen, lohnt es sich für viele Betroffene auch, auf die Ernährung zu achten. Dysbalancen in der Nahrungsaufnahme können laut Tesar ebenfalls zu intensiven Attacken führen. Die Neurologin rät Patientinnen und Patienten daher, regelmäßige Essenszeiten einzuhalten und generell auf einen ausgewogenen Speiseplan zu achten. Auch lange Phasen des Fastens können bei manchen Betroffenen Attacken auslösen.

Verantwortlich dafür sind vor allem Schwankungen des Blutzuckerspiegels. Forscherinnen und Forscher untersuchen daher schon seit Jahren, welche Rolle das vom Körper produzierte Insulin in Bezug auf Migräneattacken spielt. „Man hat festgestellt, dass Migränepatienten wahrscheinlich eine andere, möglicherweise höhere Sensibilisierung auf Insulin haben“, so die Neurologin. Das bedeute, dass einige Betroffene den Zucker im Körper rascher abfangen und der Blutzucker nach dem Essen schneller steigt als bei gesunden Menschen, kurz darauf aber auch rasch wieder sinkt. „Dieser schnelle Wechsel kann, wie auch die anderen Dysbalancen, Migräneattacken auslösen.“

Personalisierte Ernährung kann helfen

Zusammen mit Ärztinnen und Ärzten sei es möglich, einen auf die Betroffenen individuell abgestimmten Ernährungsplan zu erstellen, der für einen möglichst konstanten Blutzuckerspiegel sorgt. In manchen Fällen lohne es sich außerdem, bestimmte Lebensmittel aus dem Speiseplan komplett zu streichen.

Auf welche Lebensmittel die Betroffenen besonders stark reagieren, unterscheide sich aber von Person zu Person. „Bei manchen Patienten führt ein Glas oder ein Schluck Rotwein wahrscheinlich gesichert zu einer Migräneattacke, einer anderen Person macht Rotwein hingegen gar nichts – da ist es vielleicht der Prosecco, das Bier oder überhaupt nicht der Alkohol, sondern vielleicht einfach nur ein Gewürz“, so Tesar. Daher sei es auch nicht möglich, allen Migränepatientinnen und -patienten von denselben Lebensmitteln abzuraten.

Verzicht vorab besprechen

Die Neurologin empfiehlt zwar allen Betroffenen, selbst darauf zu achten, ob Migräneattacken immer nach dem Konsum bestimmter Lebensmittel auftreten – auf alle möglichen Lebensmittel in Eigenregie zu verzichten, sei aber keine langfristige Lösung. „Sich total verrückt zu machen, weil man annimmt, dass ein bestimmtes Lebensmittel die Attacken auslöst, macht auf jeden Fall keinen Sinn.“ Auf Rotwein oder Schokolade zu verzichten, obwohl Betroffene vielleicht gar nicht negativ darauf reagieren, sei unnötig und mindere ihre Lebensqualität noch zusätzlich. Daher rät Tesar unbedingt dazu, den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel vorab mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten abzuklären.