Genanalyse im Labor
AFP/JEAN-PHILIPPE KSIAZEK
AFP/JEAN-PHILIPPE KSIAZEK
Genetischer Beifang

Menschliches Erbgut in Umweltproben

Mit Hilfe von neuen genetischen Methoden lassen sich aus Umweltproben viel Erbgutinformationen auslesen, wie das etwa beim Abwassermonitoring auf Sars-Cov-2 gemacht wird. Wie ein Forschungsteam nun berichtet, findet man so auch menschliche DNA in erstaunlich hoher Qualität. Das könne missbräuchliche Verwendungsmöglichkeiten eröffnen, für die es noch kaum Handhabe gibt.

In der Hollywood-Gentechnologie-Dystopie „Gattaca“ aus dem Jahr 1997 ist es absolut normal, mehr oder weniger überall nach DNA-Spuren zu suchen und daraus in Sekundenschnelle das Tun und Lassen jener Menschen zu rekonstruieren, von denen das Erbgut stammt. Was Ende der 1990er-Jahre noch weit in der Zukunft zu liegen schien, ist durch die spektakulären technischen Fortschritte im Auffinden und Analysieren von Geninformationen der vergangenen rund 20 Jahre deutlich näher gerückt.

So kann nun etwa – genügend Know-how und technische Ressourcen vorausgesetzt – in aus der Umwelt entnommenen Proben viel darüber gesagt werden, welche Mikroorganismen, Tiere oder Pflanzen sich an einem Ort befinden oder einst befanden. Das bringt in der Archäologie, verschiedensten Bereichen der Lebens- und Umweltwissenschaften oder der Kriminalistik ungeheure neue Möglichkeiten mit sich.

Erstaunliche Qualität

Ein Team um David Duffy von der University of Florida suchte nun gezielt nach menschlicher DNA in diversen Proben, die in Gewässern, an Stränden, auf Bergen oder aus der Luft in Gesundheitseinrichtungen genommen wurden. „Wir waren durchgehend überrascht darüber, wie viel menschliches Erbgut wir fanden und wie gut die Qualität war. In den meisten Fällen war die Erbinformation annähernd so brauchbar, wie wenn sie direkt von einer Person entnommen wurde“, so Duffy in einer Aussendung der US-Uni zu der im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“ erschienenen Studie.

Eine Forschungsteam sammelt Umweltproben in Gewässer
Todd Osbourne
Das Forschungsteam sammelt Umweltproben in Gewässer

Das rücke auch neue ethische Fragestellungen in den Fokus – nämlich wenn es möglich ist, aus einem in einer Probe ausfindig gemachten umfassenden Genpool tatsächlich auf einzelne, womöglich unfreiwillige DNA-Spender rückzuschließen. Dass das ginge, zeigten die Forscher und Forscherinnen im Rahmen ihrer Studie, indem sie Informationen aus Proben mit dem Erbgut Freiwilliger verglichen, die sich zuvor an den Orten aufgehalten hatten.

Schutz vor Missbrauch nötig

Derartiger „genetischer Beifang“ von Tieren sei zwar bereits in mehreren Analysen aufgetaucht. „Für menschliche DNA war es bisher nicht dokumentiert gewesen“, so Barbara Prainsack vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien in einem Statement zu der US-Studie gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC).

Um jedoch einzelne Menschen zu identifizieren, braucht es – wie in dem Teil der Studie mit den freiwilligen DNA-Spendern – Datenbanken, in denen die Referenz-Erbinformation dieser Personen bereits enthalten ist. Die technischen Möglichkeiten, derartige Sammlungen aufzubauen, werden sich künftig jedenfalls weiter verbessern.

„Neben den positiven Möglichkeiten, die die Technologie schafft, gilt es daher, sicherzustellen, dass Menschen vor missbräuchlicher Verwendung dieser Technologie geschützt werden. Einerseits müssen einzelne Personen davor geschützt sein, dass ihre DNA-Information ohne ihre Zustimmung und ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung von anderen verwendet wird. Andererseits müssen auch ganze Gruppen wie Minderheiten vor missbräuchlicher Verwendung genetischer Information geschützt werden“, so Prainsack.

Schmaler Grat

So sei es etwa Usus, in wissenschaftlichen Studien gewonnene Gensequenzen öffentlich zugänglich zu machen. „Das heißt aber auch, dass man menschliche Erbinformation aussortieren müsste“, um zu vermeiden, dass jemand DNA-Information einfach sammelt, so Duffy. Hier stellen sich einige Fragen rund um das Einholen von Einverständnis oder zum Aussieben von eventuell heiklen genetischen Informationen.

Denke man all das weiter, befinde man sich auf einer schmalen Gratwanderung zwischen Regulation und wissenschaftlicher Innovation: „Das Ziel kann hierbei allerdings nicht sein, jegliche Umweltforschung, bei der es denkbar ist, dass menschliche DNA zufällig mit analysiert wird, als Forschung am Menschen zu qualifizieren und genau denselben forschungsethischen Vorgaben zu unterwerfen“, so Prainsack.

Sie plädiert dafür, vor allem dann Überlegungen anzustellen, wo an Orten Proben entnommen werden, an denen sich regelmäßig Menschen aufhalten. Insgesamt zeige die neue Untersuchung auch, dass man sich von der Idee verabschieden wird müssen, „dass menschliche Daten nur dann besonderem Schutz unterliegen, wenn es sich um personenbezogene Daten (im rechtlichen Sinne) handelt“, so die Wiener Forscherin, die auch Mitglied der österreichischen Bioethikkommission ist.