Butcha, Ukraine, Oktober 2022, Krieg, Russland
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Bewaffnete Konflikte

Zahl der Todesopfer verdoppelt

Im Jahr 2022 sind mindestens 237.000 Menschen durch bewaffnete Konflikte gestorben. Ein Bericht des Uppsala Conflict Data Program (UCDP) der Universität Uppsala zeigt, dass dies ein Anstieg von 97 Prozent gegenüber dem Vorjahr und die höchste Zahl seit dem Völkermord 1994 in Ruanda ist.

Alleine die Kriege in Äthiopien und der Ukraine führten im Jahr 2022 zu mindestens 180.000 Todesfällen, heißt es in dem Bericht des UCDP, der in der Juli-Ausgabe des Fachjournals „Journal of Peace Research“ veröffentlicht wird. Das sei eine niedrige Schätzung, „weil die Informationen aus diesen Konflikten spärlich sind und umfangreicher Propaganda unterliegen“. Das UCDP geht davon aus, dass die Zahlen „wahrscheinlich erheblich revidiert“ werden, sobald mehr Informationen verfügbar sind.

Dennoch zeigen die Daten bereits, dass im Jahr 2022 in den Kriegen in Äthiopien und der Ukraine mehr Menschen gestorben sind als 2021 in bewaffneten Konflikten weltweit. „Wir sehen diesen Anstieg trotz einer erheblichen Deeskalation in den beiden tödlichsten Konflikten des Jahres 2021: Jemen und Afghanistan. Stattdessen eskalierte die Gewalt in Äthiopien und der Ukraine drastisch“, so Shawn Davies, Senior Analyst bei UCDP, in einer Aussendung.

Konflikt in Tigray forderte 2022 die meisten Opfer

Eine verbreitete Meinung sei, dass Russlands Krieg in der Ukraine der blutigste Konflikt im Jahr 2022 war, so Davies. In Äthiopien starben allerdings mehr Menschen in dem bewaffneten Konflikt in den Regionen Tigray, Amhara und Afar im Norden des Landes. Die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) kämpft dort seit November 2020 gegen die äthiopische Armee, die von Eritrea unterstützt wird.

Soldaten Äthiopien, Tigray
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Soldaten der äthiopischen Armee in der Region Tigray

Der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 ist der erste groß angelegte zwischenstaatliche Krieg seit 20 Jahren. Auch wenn Konflikte zwischen Staaten nach wie vor relativ selten vorkommen, haben sie laut UCDP in den letzten Jahren zugenommen. Sowohl in Äthiopien als auch in der Ukraine sei der Krieg durch Grabenkämpfe gekennzeichnet. Nicht zuletzt diese Art der Kriegsführung habe zu den hohen Opferzahlen in beiden Ländern beigetragen.

Es sei zudem häufiger geworden, dass außerhalb des Kriegsgebiets liegende Staaten, Truppen zur Unterstützung von Rebellengruppen schicken, die gegen die Regierung eines Landes kämpfen, so Therese Pettersson, Projektleiterin bei UCDP. „Das bedeutet im Wesentlichen, dass staatliche Armeen gegeneinander kämpfen.“

„Historisch hohes Niveau“

Die Zahl der weltweiten aktiven Konflikte bleibe auf einem „historisch hohen Niveau“, so das UCDP. 2022 wurden 55 verschiedene Konflikte registriert, an denen ein Staat auf einer oder beiden Seiten beteiligt war. Im Gegensatz dazu gab es von 2000 bis 2013 jährlich zwischen 31 und 39 derlei Konflikte. Seit 2015 schwankt diese Zahl zwischen 52 und 56. „Obwohl die meisten Konflikte klein sind, stieg die Zahl der Kriege von fünf im Jahr 2021 auf acht im Jahr 2022. Konflikte, die in einem Kalenderjahr mindestens 1.000 kampfbedingte Todesopfer fordern, gelten als Kriege“, so Pettersson.

Mexiko, Gangs, Gewalt
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Beerdigung nach der Massenschießerei eines Drogenkartells in Mexiko im April 2022

Auch die Zahl der nicht staatlichen Konflikte, bei denen Rebellengruppen oder andere bewaffnete organisierte Akteure gegeneinander kämpfen, bleibt auf einem Rekordhoch: 82 dieser Konflikte registrierte das UCDP im Jahr 2022. Neun der zehn tödlichsten nicht staatlichen Konflikte des Jahres ereigneten sich in Mexiko, wo rivalisierende Drogenkartelle seit den 1980er Jahren um ihre Reviere kämpfen. In Brasilien, Haiti, Honduras und El Salvador eskalierte die Gewalt zwischen Gangs in den letzten Jahren ebenso.

Auch Gewalt gegen Unbeteiligte nahm zu

Auch einseitige Gewalt, bei der Zivilistinnen und Zivilisten das Ziel sind, nahm 2022 zu. 45 verschiedene Staaten und organisierten Gruppen übten diese Form von vorsätzlicher, gezielter Gewalt aus, mindestens 11.800 Menschen wurden dabei getötet – die meisten laut UCDP vom Islamischen Staat (IS). Aber auch Staaten griffen in mehreren Konflikten Unbeteiligte in großem Umfang an. So setzten sowohl Russland als auch Eritrea in der Ukraine und in Äthiopien umfangreiche Gewalt gegen Zivilpersonen ein.

Butcha, Ukraine, April 2022, Krieg, Russland
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Ein ukrainischer Soldat inmitten zerstörter russischer Panzer in Butcha, Ukraine, im April 2022

Das Uppsala Conflict Data Program sammelt Daten zu militärischen Konflikte seit 1946. Das Projekt wird von der Universität von Uppsala in Zusammenarbeit mit dem Peace Research Institute Oslo (PRIO) geleitet. Das UCDP definiert drei Arten von bewaffneten Konflikten: staatliche, nicht staatliche und einseitige. In einen staatlichen Konflikt ist mindestens ein Staat verwickelt, ein nicht staatlicher Konflikt ist ein Konflikt zwischen nicht staatlichen Organisationen. Als einseitige Gewalt bezeichnet das UCDP den Einsatz bewaffneter Gewalt eines Staates oder einer Organisation gegen Zivilistinnen und Zivilisten.