Baby beim Stillen von oben
AFP/JAIME REINA
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Mikronährstoff

Muttermilch lässt Synapsen wachsen

In den ersten Lebensmonaten entwickelt sich das menschliche Gehirn rasant. Ein US-Forschungsteam hat nun einen Mikronährstoff in Muttermilch identifiziert, der Synapsen – die Verbindungen zwischen Nervenzellen – in dieser Phase besonders schnell wachsen lässt.

Dass Muttermilch also eine Art „Superfood“ darstellt, gilt allgemein als gesichert. Warum sie so optimal ist und wie genau sich ihre Bestandteile auf die kindliche Entwicklung auswirken, ist allerdings noch nicht umfassend untersucht. Ein Geheimnis der Muttermilch liegt vermutlich in ihrer komplexen und dynamischen Zusammensetzung, die sich je nach Bedarf immer wieder ändert.

Reich an Mikronährstoffen

Am Anfang ist sie beispielsweise sehr reich an Mikronährstoffen und bioaktiven Substanzen. Das wiederum könnte sich auf die Hirnentwicklung in den ersten Lebenswochen günstig auswirken, schreiben die Forscher und Forscherinnen um Andrew F. Paquette von der University of Virginia School of Medicine im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Denn in dieser frühen Phase seien der Darm und die Blut-Hirn-Schranke relativ durchlässig für kleinste Moleküle.

Um herauszufinden, welche bioaktiven Stoffe entscheidend sein könnten, hat das Team Muttermilchproben aus Mexiko, China und den USA analysiert und ihre Zusammensetzung mit den Phasen der Hirnentwicklung abgeglichen. Wie sie in ihrer Studie berichten, haben sie dabei einen Bestandteil identifiziert, der in der frühen Stillphase sehr hoch konzentriert ist – also genau dann, wenn die neuronalen Verbindungen im kindlichen Gehirn besonders schnell wachsen: Inosit. Die vitaminähnliche Substanz kommt auch in manchen Lebensmitteln vor, z.B. in Grapefruits; außerdem wird es in manchen Organen vom Körper selbst gebildet.

Kritische Entwicklungsphase

Die Wirksamkeit des Stoffs hat das Team dann im Labor untersucht: an Nervenzellen von Ratten und Menschen sowie an Mäusen. Tatsächlich förderte er das Wachstum von neuen Verbindungen, sogenannten Synapsen – je höher die Dosis, umso stärker war dabei das Wachstum. Weitere Versuche mit Hirnzellkulturen von Mäusen zeigten, dass die Substanz auch im erwachsenen Hirn neue Verbindungen wachsen lässt.

Laut den Forschern und Forscherinnen ist Inosit wohl eine bioaktive Substanz, die im Gehirn vieler Arten wirksam ist. In menschlicher Muttermilch komme er in Phasen kritischer Gehirnentwicklung weltweit in einer ähnlichen Dosis vor. Das unterstreiche seine Rolle bei der Ernährung von Neugeborenen. Zu den genauen Wirkungen bei Erwachsenen brauche es noch weitere Untersuchungen, heißt es in der Studie. Die neuen Erkenntnisse könnten allerdings schon jetzt dazu beitragen, industriell hergestellte Säuglingsmilch noch Muttermilch-ähnlicher zu machen – für alle Frauen, die nicht stillen können oder wollen.