Stefanie Lindstaedt im Rahmen eines PressegesprŠches des Institute of Digital Sciences Austria (IDSA)
APA/FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR
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Gründungspläne

„Linzer TU“ sucht wieder neuen Namen

Seit Anfang Juli ist Stefanie Lindstaedt Gründungspräsidentin des Linzer Institute of Digital Sciences Austria (IDSA), das im Herbst den Studienbetrieb aufnehmen soll. Lindstaedt will daraus eine „interdisziplinäre Universität“ machen. Das Wort „University“ soll auch in der endgültigen Bezeichnung vorkommen, die noch gesucht wird.

In Sachen Künstliche Intelligenz warnt Stefanie Lindstaedt davor, mit zu vielen Reglementierungen in Europa die Innovation zu kappen. „Wir müssen in Europa und vor allem im deutschsprachigen Raum lernen, welche Macht Daten haben und wie wir diese für uns nutzen können“. Im Moment liege der Fokus zu sehr auf der Angst, warnt sie davor, durch Reglementierungen die Innovation in Europa zu unterbinden. „ChatGPT wird kommen, egal ob wir mitmachen oder nicht.“

Europa könne „ein Vorreiter sein bei privacy preserving (Bewahrung der Privatsphäre, Anm.) usw., aber wir dürfen uns nicht darauf beschränken, über diese Dinge zu reden und juristische Vorgaben zu machen, sondern wir müssen mitmachen bei der Entwicklung“. Hier wolle das IDSA ansetzen und „Experten ausbilden, die an Schnittstellen sitzen – nicht die klassischen Informatiker, die ein Betriebssystem programmieren können, und nicht die reinen Sozialwissenschaftler oder Maschinenbauer, sondern Leute, die digitale Technologien so tief verstehen, dass sie damit ihre eigene Disziplin revolutionieren können“.

Interdisziplinäre Ausrichtung

Die zuerst als Digital-Universität oder Linzer TU und später als IDSA benannte Einrichtung muss ihren Namen erst finden. IDSA will Lindstaedt schon allein aus Copyrightgründen – „wenn Sie das googeln, kommen 100 verschiedene Organisationen, die so heißen“ – ändern. Die neue Bezeichnung ist noch nicht gefunden, jedenfalls will sie das Wort „University“ drinnen haben. Als klassische Technische Uni sieht sie das Noch-IDSA aber nicht: „Ich glaube, dass wir keine TU sind, sondern eine interdisziplinäre Universität“. In einer bestimmten Fakultät will sie sich nicht verorten.

„Alle unsere Studien werden sein: ‚Digital Transformation of …‘. Und dieses ‚of‘ könnte Gesundheitswesen sein, Energiewirtschaft etc.“, erklärt sie ihre Vorstellung von der Architektur der Studienangebote. „Da geht es immer um eine gesellschaftliche oder wirtschaftliche Challenge, die wir systemisch angehen wollen.“ Ein Bachelor-Studium werde es zumindest „in den nächsten vier Jahren nicht“ geben.

30 Professoren, 400 Studierende

Bis 2027 will Lindstaedt einen Stock von 30 Professuren für bis zu 400 Studierende aufgebaut haben, das Anforderungsprofil auch hier: interdisziplinär. „Ich will junge Professorinnen und Professoren heranholen, die an Schnittstellen arbeiten – zum Beispiel zwischen Computer Sciences und Sozialwissenschaften. Die haben dann entweder Soziologie oder Informatik studiert und sind in diese Mitte hineindiffundiert.“ Relevant seien die Verschränkungen, das Aufbrechen der Disziplinen. Ob sie selbst unterrichten werde? „In den ersten vier Jahren nicht“, dann werde man weitersehen, aber: „Ich würde schon gerne.“

Nächster Schritt ist, bis Weihnachten die beiden ersten inhaltlichen Schwerpunkte festzulegen. Dann werde entschieden, welche Professuren man dafür brauche. „Mit diesen ersten zwei Themen müssen wir uns positionieren – einerseits innerhalb Österreichs, aber – noch viel wichtiger – außerhalb von Österreich“, man müsse internationalen Studierenden einen Grund geben, hierher zu kommen. „Die Studierenden in Österreich sind nun mal keine wachsende Bevölkerungsgruppe.“

Projektorientierte Lehre

Ihre Vorstellungen von den Curricula sind noch „überhaupt nicht konkret“, was auch daran liegt, dass diese „dynamisch“ sein sollen: „Wir wollen möglichst keinen Frontalunterricht haben, keine Vorlesungen, sondern Projekte. Ein Projekt wird ein Heading haben, da wird das Lernziel beschrieben. Das Projekt wird sich jedes Jahr ändern.“ Die Folge sei, dass sich auch das Curriculum jedes Jahr ändere. Die Projekte selbst könnten sowohl von den Forschern kommen, als auch von Studierenden oder aus der Wirtschaft. „Ich stelle mir vor, dass jeder Student etwa drei Projekte im Semester macht.“

„Running Start“

Derzeit seien Curricula meist „unheimlich fragmentiert. Eine kleine Vorlesung mit drei ECTS für dieses und 2 ECTS für jenes“. Das soll am IDSA anders sein: „Die Projekte werden viele ECTS haben, 40 oder 60, da wird jeder seine Expertise, die er aus dem Bachelor-Studium hat, einbringen können“. Ziel solle nicht sein „ich will programmieren lernen, sondern ich möchte ein Problem lösen“, so Lindstaedt, die hofft, mit diesem Zugang auch viele Frauen anzusprechen. Mit dem designierten Rektor der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU), Stefan Koch, habe sie vereinbart, „dass wir einen Kooperationsvertrag machen wollen“. Mit dem Leiter des renommierten AI-Lab an der JKU, Sepp Hochreiter, habe sie noch nicht gesprochen.

Die Politik hat beim IDSA aufs Tempo gedrückt. Es wurde zwar zum geplanten Zeitpunkt aus der Taufe gehoben, allerdings müssen erst die Inhalte – u.a. im Rahmen eines Founding Lab mit 15 Fellows im Rahmen der Ars Electronica – gefunden werden. Den „Soft-Start“, wie es der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), der für eine Verschiebung des Starts plädiert hatte, bezeichnete, fasst Lindstaedt sportlich als „Running Start“ auf. Ob sie sich mehr Zeit gewünscht hätte? „Man wünscht sich immer mehr Zeit.“ Die TU Nürnberg zum Beispiel habe sich vor der Gründung drei Jahre Zeit für die Schwerpunktsetzung genommen. „Wir machen es halt jetzt umgekehrt.“ Inhaltlich eingeengt fühle sie sich dabei nicht.