Rekonstruktion des Perucetus colossus, Wal
Alberto Gennari
Alberto Gennari
Fossilfund

Urzeitwal womöglich schwerstes Tier der Welt

Ein ausgestorbener Wal ist womöglich das schwerste Tier, das jemals auf der Erde gelebt hat. Ein Forschungsteam untersuchte die rund 39 Millionen Jahre alten Knochen, die in Peru gefunden wurden – daraus konnten Skelett und Körpermasse rekonstruiert werden. Der Fund zeige außerdem die Evolution der Wale in einem neuen Licht.

Das Gewicht des Tieres werde auf 85 bis 340 Tonnen geschätzt, schreibt das Team um Eli Amson vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart im Fachjournal „Nature“. Die Art mit dem Namen „Perucetus colossus“, grob übersetzt „der kolossale Wal aus Peru“, sei damit ein Anwärter auf den Titel des „schwersten Tiers aller Zeiten“, teilte das Naturkundemuseum am Mittwoch mit.

Wie die Forscher in der Studie zudem berichten, haben sich die Wale früher zu gigantischen Tieren entwickelt als bislang gedacht. Nach Untersuchungen des fossilen Walskeletts nehmen sie an, dass die frühen Verwandten der heutigen Wale, Delfine und Schweinswale, bereits vor ungefähr 39 Millionen Jahren vollständig in küstennahen Gewässern lebten und enorme Körpermassen besaßen.

Gigantismus bei Walen älter als gedacht

„Der Fund verändert das Verständnis der Walevolution“, so Amson. Die neue Studie zeige erstmals, „dass die gigantischen Körpermassen der Wale bereits 30 Millionen Jahre früher erreicht wurden als bisher angenommen“. Zuvor sei der evolutionäre Übergang zu echtem Gigantismus bei Walen wie den modernen Bartenwalen als ein relativ junges Ereignis vor etwa 10 Millionen Jahren angesehen worden.

„Perucetus colossus“ kombiniere eine gigantische Größe mit einem extrem hohen Knochengewicht, sagte der 34 Jahre alte Forscher. „Dieser frühe Wal verschiebt die bisher bekannte Obergrenze der Skelettmasse bei Säugetieren und im Wasser lebenden Wirbeltieren drastisch. Möglicherweise ist er auch das schwerste jemals beschriebene Tier.“

Zusätzliches Gewicht habe den in Meeren lebenden Tieren im Laufe der Evolution geholfen, ihren Auftrieb zu regulieren und sich unter Wasser zu halten, ähnlich wie der Bleigürtel bei Tauchern. Das enorme Gewicht des „Perucetus colossus“ sei mit der Anlagerung zusätzlicher Knochenmasse an der Außenseite der Skelettelemente und mit einer höheren Knochendichte zu erklären.

Über 100 Kilo pro Wirbel

Das Fossil des „Perucetus colossus“ ist bereits vor zehn Jahren in der Wüste an der Südküste Perus entdeckt worden. Jeder Wirbel des Funds wiegt über 100 Kilo, die Rippen des Urzeitwals sind bis zu 1,4 Meter lang. Mit 5 bis 8 Tonnen sei das 20 Meter lange Skelett der neuen Art zwei- bis dreimal so schwer wie das 25 Meter lange Skelett eines Blauwals, das in der Hintze Hall des Natural History Museums in London ausgestellt ist.

Knochen des Perucetus colossus, Wal
Giovanni Bianucci
Transport eines Skelettteils des „Perucetus colossus“

Um das Gewicht des Exemplars zu schätzen, wurden die geborgenen und präparierten Knochen gescannt und ihr Volumen bestimmt. Mit Kernbohrungen wurde die innere Knochenstruktur beurteilen. Zur Rekonstruktion der Körpermasse verwendete das Forschungsteam das bei lebenden Meeressäugern bekannte Verhältnis von Weichteil- zu Skelettmasse. „Mit den sich daraus ergebenden Schätzungen zwischen 85 und 340 Tonnen liegt das Gewicht der neuen Art in der Größenordnung des Blauwals oder möglicherweise darüber“, so das Stuttgarter Museum.