Auf den Blättern einer Buche sind Regentropfen zu sehen
dpa/Franziska Kraufmann
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Ökologie

Wälder zentral beim Hochwasserschutz

Die Klimaerwärmung erhöht die Gefahr für langandauernde Niederschläge und Hochwasser. Eine zentrale Rolle beim Schutz davor spielen Wälder, indem sie die Ableitung des Wassers ins Tal verzögern. Durch den Klimawandel gerät dieses fein justierte System aber zunehmend aus dem Gleichgewicht.

Hitze und Trockenstress machen Wälder anfällig für Befall von Borkenkäfern, Schäden durch Windwurf und Waldbrände. „Hier kommen also einige Dinge zusammen, die, wenn ich einmal keinen Wald mehr habe, mehr oder intensivere Anstrengungen benötigen, um wieder stabile Verhältnisse zu schaffen“, sagt Christian Scheidl vom Institut für Alpine Naturgefahren der Universität für Bodenkultur in Wien.

Schwächt Energie des Regens ab

Ein möglichst unversehrter Wald kann die Energie des Regens durch das Zusammenwirken aus Kronendach der Bäume, dichter Bodenvegetation, Totholz und ausreichend Humusschicht stark abschwächen. Der Waldboden ist damit weniger anfällig für Bodenerosion, Wasser kann leichter in die Erde einsickern, anstatt an der Oberfläche talwärts zu rinnen.

Unterschiedlich tief wurzelnde Bäume in einem gesunden Mischwald sorgen zudem für einen raschen, aber dennoch dosierten Abtransport des Niederschlags zum nächsten Gerinne oder Bach.

Mischwälder schützen besser

Auf offenen Flächen wie Wiesen oder Weiden, auf Forststraßen oder auch in Monokulturen ist diese Schutzwirkung bei Starkregen deutlich vermindert, betont der Hydrologe Gerhard Markart vom Bundesforschungszentrum Wald. Um zu verstehen, was bei Niederschlag in Waldböden passiert, führt er seit vielen Jahren Beregnungsversuche in Wäldern mit unterschiedlichem Bewuchs durch.

„Bei Monokulturen – da denken wir zuerst an die Fichte – wird von einer Baumart nur ein beschränkter Teil des Bodens erschlossen. Die Fichte geht als Flachwurzler nur bis ca. einen halben Meter in die Tiefe. Andere Baumarten, zum Beispiel Tanne oder Eiche, reichen mit ihren Wurzeln deutlich tiefer, mehr als einen Meter“, so Markart gegenüber Ö1.

Ein einziger Baum verdunstet zudem zwischen 350 und 700 Liter Wasser pro Tag – das schafft bei Starkregen viel Speicherplatz im Waldboden. Die unterschiedlichen Wurzeltiefen erhöhen dieses Speichervolumen zusätzlich. „In Mischbeständen wird das Wasser tiefer ausgeschöpft, der Boden ist bei Niederschlag aufnahmefähiger. Und diese Mischwälder sind auch weniger anfällig für Stürme oder flachgründige Hangrutschungen“, erklärt der Hydrologe.

Skipisten schwächen „Kanalsystem Wurzeln“

Über ihre Wurzeln saugen die Bäume nicht nur Wasser, sondern leiten es auch in den Boden ein. Das funktioniert auch bei bereits abgestorbenen Bäumen. „Alte Wurzeln werden nach der Schlägerung über die Jahre und Jahrzehnte abgebaut und so zu Drainröhren. Über diese Röhren kann das Wasser rasch in den Boden einsickern. Es gibt ein regelrechtes Leitungsnetz von solchen Hohlräumen im Waldboden, über die Wasser zeitverzögert dem nächsten Bach zufließen kann“, so Gerhard Markart.

Entfernt man die alten Wurzelstöcke – wie etwa bei der Anlage von Skipisten – werden auch Wurzeln ausgerissen. Das natürlich gewachsene Kanalsystem funktioniert dann nur noch eingeschränkt, der Boden wird anfälliger für Erosion, saugt sich viel rascher mit Feuchtigkeit voll und das Wasser bahnt sich seinen Weg an der Oberfläche hangabwärts. Während in einem gut durchwurzelten Waldboden je nach Regenmenge und Steilheit des Geländes Fließgeschwindigkeiten von nur wenigen Metern bis mehrere hundert Meter pro Tag herrschen, rinnt Wasser auf Wiesen schneller ab.

Skipiste am 12. Oktober 2018, am Resterkogel in den Kitzbüheler Alpen.
APA/EXPA/STEFANIE OBERHAUSER
Skipiste Anfang Oktober 2018, am Resterkogel in den Kitzbüheler Alpen

Forschungen der letzten Jahre belegen die Schutzwirkung von Wäldern, in denen stabile Verhältnisse herrschen, deutlich, ergänzt Christian Scheidl: „Wir wissen aus Studien, dass eine Erhöhung der Waldbedeckung um 25 Prozent die Wahrscheinlichkeit von schadbringenden Wildbachereignissen, wie wir sie zum Beispiel in Kärnten noch haben, um acht Prozent reduziert.“ Wobei es auch wichtig sei, wie die Waldfläche verteilt ist. Mehrere kleine Wälder, am besten mosaikartig am Hang verteilt, schützen besser als eine große durchgehende Waldfläche, hat sich gezeigt.

Schutzwälder klimafit machen …

Möglichst rasche, aber auch wohl durchdachte Aufforstungsmaßnahmen nach Stürmen, Bränden oder Borkenkäferbefall sind deshalb wesentlich, um diesen natürlichen Schutz der Wälder in Zukunft zu erhalten. Baumarten, die dieses noch immer nicht zur Gänze verstandene System langfristig auch in Zeiten des Klimawandels gewährleisten können, gebe es zahlreiche, sagt Waldbau-Experte Manfred Lexer von der Universität für Bodenkultur in Wien. „Das ist die Tanne, die Lärche, die Kiefer. Ganz wichtig in höheren, wärmeren Lagen auch die Laubbaumarten: Bergahorn oder Buche. Das Portfolio ist recht reichhaltig, besteht aus sechs, sieben, acht Baumarten, wo dann auch Pionier-Baumarten wie Birke, Espe, Erle, etc. dazukommen.“

… ist nicht so einfach

Doch ganz so einfach ist der Umbau zum „klimafitten“ Mischwald, der vor Hochwasser schützen kann, nicht. Viele der genannten Laubbäume sind anfällig für Wildverbiss. Und nicht alle Baumarten weisen optimale Eigenschaften in Bezug auf Wasserrückhalt auf – zum Beispiel die Buche: Entlang ihrer steil nach oben weisenden Ästen fließt das Wasser bei Starkregen wie ein Sturzbach Richtung Stamm und Waldboden, was höhere Erosionsgefahr bedeutet. Andererseits wurzeln Buchen sehr tief, und das sorgt für bessere Entwässerung im Waldboden.

Den einen Superbaum gibt es also nicht. Es brauche weitere Forschung zur Schutzwirkung und Standorteignung der Baumarten. Ebenso müsse die Waldwirkung bei Stark- und Dauerregen, aber auch der Einfluss offener oder verdichteter Böden noch viel genauer untersucht werden, um Handlungsanleitungen für eine optimierte Waldbewirtschaftung zu entwickeln.

Denn Ziel sei keinesfalls, dass Weideflächen und Almwiesen – oder auch Schipisten – zugunsten von immer mehr Schutzwald gänzlich aus unserer Kulturlandschaft verschwinden, betont Christian Scheidl vom Institut für Alpine Naturgefahren: „Es bringt nichts, wenn ich den Bauern unten im Tal schütze und der dann kein Einkommen mehr hat, weil er keine Almen mehr hat. Es wird ein Miteinander geben müssen, einen Diskurs, der gestartet werden muss.“