Der Ringmagnet am Fermilab, der für das Myon g-2 Experiment verwendet wurde.
Fermilab / Reidar Hahn
Fermilab / Reidar Hahn
Physik

Weiter auf der Suche nach fünfter Naturkraft

Das Standardmodell der Physik widerspricht zum Teil Messungen von Teilchenbeschleunigern. Dahinter könnte eine bisher unbekannte, fünfte Naturkraft stecken. US-Fachleute haben den Unterschied zwischen Theorie und Praxis nun mit der bisher größten Genauigkeit gemessen – bewiesen ist die fünfte Naturkraft damit aber noch nicht.

„Die Messungen sind eine unglaubliche experimentelle Leistung“, sagt Peter Winter vom Fermi National Accelerator Laboratory (Fermilab), dem Teilchenbeschleuniger des US-Energieministeriums in Batavia, Illinois.

Messungen vs. Standardmodell

Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik kennt vier Naturkräfte: Schwerkraft, Elektromagnetismus, schwache und starke Wechselwirkung. Zusammen erklären sie, wie die Grundbausteine der Materie interagieren. Die in den 1970er Jahren aufgestellte Standardtheorie ist durch Experimente an Teilchenbeschleunigern wie dem Fermilab oder dem CERN in Genf aber schon seit Jahren zunehmend unter Druck geraten.

Im Mittelpunkt der aktuellen Experimente standen Myonen. Wie Elektronen, ihre 200-mal massereicheren Geschwisterteilchen, besitzen sie ein magnetisches Moment. Dieses wird durch den sogenannten gyromagnetischen Faktor „g“ ausgedrückt. In erster Näherung beträgt dieser Wert für das Myon 2. Schon vor Jahrzehnten wurden aber bei Experimenten winzige Abweichungen von diesem Wert („g-2“) gemessen.

Ursache der Diskrepanz unklar

Vor zwei Jahren berichteten die Fachleute vom Fermilab, dass sie „g-2“ in bisher größter Genauigkeit gemessen haben – nun haben sie das noch einmal übertroffen. Was genau hinter der Diskrepanz zwischen theoretischer Vorhersage und den experimentellen Ergebnissen steckt, ist noch unklar.

„Wir suchen nach einem Hinweis darauf, dass das Myon mit etwas interagiert, von dem wir nichts wissen. Es könnte alles sein: neue Teilchen, neue Kräfte, neue Dimensionen, neue Eigenschaften der Raumzeit, alles“, sagte Brendan Casey, ein leitender Wissenschaftler am Fermilab und Mitglied des Forschungsteams, das eine Studie über die Ergebnisse in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ eingereicht hat (hier der Preprint).

„Ja, man kann mit Recht sagen, dass es auf unbekannte Teilchen oder Kräfte hinweisen könnte“, ergänzte Rebecca Chislett, Physikerin am University College London und Mitautorin der Studie. „Derzeit ist es schwierig zu sagen, woher die Diskrepanz kommt, aber die Theoretische Physik arbeitet hart daran, dies zu lösen.“

Fast mit Lichtgeschwindigkeit

Das Experiment wurde bei minus 268 Grad Celsius im Teilchenbeschleuniger des Fermilab durchgeführt. Die Forscherinnen und Forscher schossen Myonenstrahlen in den supraleitenden magnetischen Speicherring mit einem Durchmesser von 15 Metern. Während die Myonen fast mit Lichtgeschwindigkeit um den Ring flitzten, interagierten sie mit anderen subatomaren Teilchen – und zwar leicht anders als theoretisch vorhergesagt. Die Präzision liegt mittlerweile bei 0,2 Teilchen pro Million, das entspricht einer Verdoppelung der bisherigen.

In den kommenden Jahren sollen die Daten noch genauer werden, auch am Teilchenbeschleuniger des CERN. Eigentlich reicht schon die aktuelle Präzision, um in der Physik von einer „Entdeckung“ zu sprechen. Die Forscherinnen und Forscher bleiben aber vorsichtig. Nicht zuletzt da in den vergangenen Jahren alternative Berechnungstechniken von „g-2“ entwickelt worden sind, die nicht auf Messungen von Teilchenbeschleunigern, sondern auf Computersimulationen beruhen. Vergleicht man die Messungen mit diesen Berechnungen, verschwindet die Diskrepanz nahezu, wie es in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Nature“ heißt.