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Miljan Živković – stock.adobe.com
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TikTok-Trend

Die negativen Seiten des Wunschdenkens

Millionen Userinnen und User folgen den Hashtags „#manifesting“ und „#manifestation“ auf TikTok und Instagram. Das Konzept dahinter: Ob Traumjob, Traumpartnerin oder finanzieller Erfolg – stellt man sich seine Ziele nur intensiv genug vor, werden sie Realität. Eine Studie zeigt nun, dass diese Form des Wunschdenkens nicht nur kaum erfolgreich ist, sondern auch schädlich sein kann.

Manifestieren ist der Glaube an die Fähigkeit, Erfolg im Leben „kosmisch anzuziehen“, indem man seine Ziele visualisiert und so tut, als hätte man sie bereits erreicht – so definiert das Forschungsteam der australischen Universität Queensland den Social-Media-Trend. Wer sich beispielsweise Gesundheit wünscht, soll „auf eine Weise denken, fühlen und handeln, die bekräftigt, dass man bereits gesund ist“, etwa indem man sich wiederholt sagt: „Ich bin so dankbar, dass ich gesund bin.“

Neu ist der Glaube, alleine mit der Kraft der Gedanken etwas bewirken zu können, freilich nicht. Nicht zuletzt aber weil Influencerinnen und selbst ernannte Coaches und Gurus mittlerweile Millionen mit der Verbreitung dieses Konzepts über Social Media verdienen, untersuchte das Team um Lucas J. Dixon die psychologischen Hintergründe des Glaubens an das Manifestieren ebenso wie mögliche damit verbundene Vor- und Nachteile.

USA: Ein Drittel glaubt an Wirkung

Für die Studie, die kürzlich im Fachjournal „Personality and Social Psychology Bulletin“ veröffentlicht wurde, führte das Team verschiedene Untersuchungen mit insgesamt etwas mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den USA durch. Dabei stellten sie fest, dass ungefähr ein Drittel daran glaubt, dass etwas wahr wird, wenn man es sich nur konkret genug vorstellt. Diese Zahl deckt sich mit einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Vorjahr, die ebenfalls ausschließlich mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den USA durchgeführt wurde.

Um zu messen, wie sehr jemand von der Wirkung des Manifestierens überzeugt ist, entwickelte das Forschungsteam eine Skala. Darauf konnten die Probandinnen und Probanden ihre Zustimmung zu folgenden Aussagen ausdrücken: „Die Visualisierung eines erfolgreichen Ereignisses führt dazu, dass dieses näher an mich heranrückt“ oder „Ich ziehe ein erfolgreiches Ereignis eher an, wenn ich so tue, als sei es bereits eingetreten“.

Außerdem wurde anhand der Skala bewertet, wie überzeugt jemand von „kosmischer Zusammenarbeit“ ist – ein Schlüsselelement des Konzepts des Manifestierens. Damit verbundene Zustimmung oder Ablehnung wurde u. a. anhand von Aussagen wie dieser untersucht: „Ich ziehe Erfolg mit Hilfe des Universums oder einer höheren Macht in mein Leben“.

Höheres Konkursrisiko

Je stärker Probanden und Probandinnen an die Wirkung des Manifestierens glaubten, umso erfolgreicher nahmen sie sich selbst wahr, umso mehr strebten sie nach Erfolg und waren davon überzeugt, in der Zukunft erfolgreich zu sein. Die Ergebnisse einer weiteren Untersuchung zeigten jedoch, dass diese Wahrnehmung tendenziell nicht der Realität entsprach: So waren diese Personen etwa hinsichtlich ihres Einkommens nicht erfolgreicher als andere. Sie neigten allerdings eher zu riskanten finanziellen Entscheidungen, investierten öfter in Kryptowährungen und hatten bereits häufiger einen Konkurs durchgemacht.

Anhand eines Szenarios, das das Forschungsteam entwarf, zeigte sich zudem, dass Fans des Manifestierens eher glauben, ein „unrealistisches Erfolgsniveau“ erreichen zu können, etwa dass sie in der Zukunft dank ihrer Fähigkeiten und Talente 300.000 Dollar pro Jahr verdienen könnten, indem sie eine Follower-Gemeinde von mehr als 100.000 Personen aufbauen, während sie gleichzeitig „Anerkennung für ihren positiven Beitrag zum Leben Tausender anderer“ erhalten würden.

„Falsche Hoffnungen, unerreichbare Ziele“

Der Trend zum Manifestieren könne Menschen zwar auch darin unterstützen, positiv zu denken, während sie ohnehin auf ein Ziel hinarbeiten, räumt das Forschungsteam ein. Schädlich sei das Konzept aus psychologischer Sicht aber, wenn Menschen sich dadurch falsche Hoffnungen machen, die Realität verleugnen und sich unerreichbare Ziele setzen. Denn das Konzept bestärke Menschen, Misserfolge als Zeichen dafür zu sehen, „dass man einfach noch nicht stark genug an sein Ziel glaube“, egal wie unrealistisch es ist.

Ein Zusammenhang der Ergebnisse mit dem Alter und dem Geschlecht der Probandinnen und Probanden konnte ausgeschlossen werden. Auf einige Einschränkungen der Studie weist das Forschungsteam aber hin: Da die Teilnehmenden alle aus den USA stammten, sind die Ergebnisse möglicherweise nicht auf andere Länder übertragbar. Sie seien zudem reine Korrelationen – ob dahinter auch kausale Zusammenhänge stehen, müsse in weiteren Studien untersucht werden.