Blick auf den Inn, aufgenommen am Mittwoch, 2. August 2023, in Innsbruck-Kranebitten. Das Flussgebiet soll nach Renaturierungsmaßnahmen wieder als Naherholungsgebiet genützt werden. –
APA/MATTHIAS BLIEM-SAUERMANN
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Klimaerwärmung

Flüsse zwischen Dürre und Hochwasser

Seit Jahrhunderten werden Flüsse reguliert. Das hatte Vorteile, beeinträchtigte aber auch wichtige Schutzfunktionen. Die Klimaerwärmung verschärft die Situation – Trockenheit und Hochwasser werden häufiger. Wie sich der Wechsel von zu viel und zu wenig Wasser auf Flüsse auswirkt, ist eine der Fragen, die derzeit rund 1.300 Expertinnen und Experten bei drei Konferenzen in Wien diskutieren.

Als zweitgrößter Fluss Europas erfüllt die Donau – wie viele große Flüsse weltweit – unterschiedlichste Aufgaben. Sie ist Transportweg, sichert einen Gutteil der Stromversorgung durch Wasserkraftwerke, hat Einfluss auf den Grundwasserspiegel und damit die Landwirtschaft. Aber: Der 2.600 Kilometer lange Fluss ist auf 90 Prozent seiner Gesamtlänge geschädigt. „Die Donau ist aus dem Gleichgewicht geraten, vor allem, was den Sedimenteintrag betrifft“, sagt der Organisator der Vienna Water Conferences 2023 und Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der BOKU Wien, Helmut Habersack.

Donau im Ungleichgewicht

Die Gründe dafür sind zahlreich. Flüsse wurden begradigt, enger gemacht, es wurden Staustufen für Wasserkraftwerke eingebaut und Überflutungsräume weggenommen. Die Donau ist in ihrer oberen Hälfte durch Regulierungsmaßnahmen um 40 Prozent schmäler geworden und auch um zehn bis 15 Prozent kürzer. „Und jetzt kommt der Klimawandel dazu, mit noch mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre, wo erheblich intensivere Niederschläge auftreten oder längere Zeit gar kein Regen fällt. Das alles wurde in den letzten hundert Jahren vom Menschen gemacht und führt zu kompletten Systemänderungen, die natürlich auch Rückwirkungen auf uns Menschen haben“, so Habersack.

Besonders deutlich zeigt sich das bei der Donau am vom Wasser mitgeführten Gestein – den Sedimenten. „Man kann sich einen Fluss vorstellen wie ein Förderband, das Steine, Sand und feineres Material – Tone – ins Meer transportiert. Das sind dann die schönen Sandstrände, die wir im Sommer genießen“, erklärt der Fließgewässerforscher.

Sedimente als „Nahrung“ für den Fluss

Die Donau hat in vielen Bereichen zu wenig Sedimente, weil sie in den Staustufen der Wasserkraftwerke zurückgehalten werden. Dort führen sie zur unerwünschten Verlandung und somit Verknappung des Stauvolumens. Unterhalb der Staustufen aber fehlen die Sedimente, weshalb sich die Donau in diesen Abschnitten immer mehr „eingräbt“, wie Fachleute sagen.

Östlich von Wien ist das Flussbett der Donau innerhalb von sechzig Jahren um einen Meter abgesunken. „Dann sinkt auch der Grundwasserspiegel, und das hat wieder zur Folge, dass der Flurabstand zur Vegetation größer wird und dann Änderungen auch im umliegenden Ökosystem der Donau stattfinden“, betont Habersack. Das alles hat Auswirkungen auf landwirtschaftliche Flächen entlang der Donau, auf die Trinkwasserreserven, aber auch auf die Speicher- und Rückhaltewirkung der Donau bei Hochwasser oder in Dürreperioden.

Der Flusslauf der Traisen aufgenommen am Montag, 21. August 2023, bei Traismauer.
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Am Flusslauf der Traisen bei Traismauer in Niederösterreich

Durch die Klimaerwärmung und die sich damit verändernde Niederschlagsverteilung werde dieses Problem noch verschärft. Denn bei Starkregen und daraus resultierendem Hochwasser können stark durch Menschenhand regulierte Flüsse die ohnehin zu geringen Sedimente schneller und in größeren Mengen weitertransportieren.

Flüsse wirken in alle Richtungen

Jeder Fluss – insbesondere so große wie die Donau – wirkt weit über seinen sichtbaren Verlauf hinaus und müsste immer gesamtheitlich gedacht und betrachtet werden. „Wir haben hier eine Konnektivität – eine Verbindung – von den Bergen zum Meer. Aber auch in die Querrichtung, in die Vertikale – ins Flussbett.“ Deshalb sei es so wichtig, den Fluss generell in den Mittelpunkt zu stellen.

„Die Hauptthematik bei diesen drei Konferenzen ist, dass wir danach trachten müssen, dass wir sowohl die Nutzung als auch den Schutz der Flüsse – auch der Donau – verbessern und gewährleisten. Und die Rahmenbedingungen verschärfen sich eher“, so der Wasserbauexperte. Wobei es nicht darum gehe, einen Zustand von einst wieder herzustellen, sondern die wichtigen Funktionen der Fließgewässer zurückzubringen. Flüsse verbreitern, ihnen wieder mehr Raum geben, Ufer zurückbauen und ein gutes Sedimentmanagement seien wesentlich, um die Zukunft der Flüsse zu sichern – aus Gründen des Naturschutzes, aber auch aus ganz profanen wirtschaftlichen Überlegungen.