Graugänse fliegen bei Sonnenaufgang
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Graugänse bleiben zunehmend in Österreich

Mit der Klimaerwärmung verändern Zugvögel ihre Verhalten – auch in Österreich. Graugänse etwa brechen im Herbst normalerweise auf, um in wärmere Gebiete zu ziehen. Doch immer mehr bleiben gleich ganzjährig in Österreich.

2004 seien die Graugänse aus Österreich noch bis Nordafrika gezogen, die letzte Ablesung war damals in Tunesien, sagt Erwin Nemeth von Birdlife Österreich. Graugänse kann man besonders gut beobachten: Man beringt sie zur Wiedererkennung, und die Vogelzählerinnen und -zähler können sie wegen ihrer Körperform auch besonders gut in der Luft erkennen.

Momentan sei es so, dass etwa ein Drittel der Graugänse ganzjährig in Österreich bleibe, andere flögen nur noch bis zum Balkan. Das sei eine enorme Veränderung, so Nemeth. Sie gehe einher mit der Entwicklung, dass Vögel aus dem Norden in Österreich vermehrt ausbleiben. „Bei den Gänsen ist das zum Beispiel die Saatgans, die in früheren Jahren ein wichtiges Überwinterungsgebiet am Neusiedlersee gehabt hat“, so Erwin Nemeth.

„Klimaflüchtlinge“ aus dem Süden

Die Erwärmung mache das Reisen im Winter unnötig. Für die Graugänse scheint das vorteilhaft, aber nur auf den ersten Blick. Denn die Lebensräume im Süden werden für Vögel zunehmend unbewohnbar. Das merke man auch an den Vögeln, die aus dem Süden nach Österreich kommen. Solche Vögel kämen nun häufiger. Eine positive Entwicklung hin zu mehr Vogelarten in Österreich sei das nur auf den ersten Blick. „In Wirklichkeit sind das Vögel, die ungünstigen Verhältnissen entfliehen und jetzt hier versuchen, ihr Auskommen zu finden“, so Nemeth. Im Süden gebe es eine Vogelarmut.

Auch Stare flögen seltener nach Nordafrika, weil die Bedingungen dort zunehmend unerträglich werden. In Österreich sind sie dafür mit mehr Trockenheit konfrontiert, auch weil der Mensch mehr Grundwasser verbraucht. Die Vögel versuchten schlicht, mit den klimatischen Veränderungen mitzuhalten, es sei jedoch ungewiss, wohin das führe, so Nemeth: „Es ist ohne Zweifel, dass wir gerade in einer Zeit der massiven Veränderung der Ökosysteme sind."

Langstreckenflieger im Nachteil

Kurzstreckenflieger wie die Graugänse könnten allerdings noch flexibler auf den Klimawandel reagieren als Langstreckenflieger, die ins Subsahara-Afrika reisen, meint Nemeth. Bei ihnen sei der ganze Körper darauf ausgerichtet, dass sie sehr weite Flüge machen.

Während Kurzstreckenflieger schnell merkten, dass die ideale Brutzeit nun früher beginnt und sie ihre Reise früher beenden können, sehen Langstreckenvögel oft erst am Zielort, dass es etwa nicht genug Insekten für den Nachwuchs gibt. Die Anzahl vieler Vogelarten sei deshalb bereits stark zurückgegangen.