Ein Acker, auf dem sich viele Plastikfolien befinden
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Umwelt

Fluch und Segen: Plastik in der Landwirtschaft

Über zwölf Millionen Tonnen Plastik werden jährlich weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt. Das ist Fluch und Segen zugleich, wie es in einer neuen Studie heißt. Einerseits gelangen so giftige Zusatzstoffe in die Nahrungskette, andererseits können die Kunststoffe die Erträge steigern und damit den ökologischen Fußabdruck verkleinern.

Wie ein Team um den Umweltgeowissenschaftler Thilo Hofmann von der Universität Wien im Fachjournal „Communications Earth & Environment“ berichtet, ist die moderne Landwirtschaft für fast ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und untrennbar mit Plastik verbunden. Die eingesetzten Kunststoffe verursachen rund 4,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen.

Mulchfolien für Spargel, Erdbeeren und Co.

„Spitzenreiter sind Mulchfolien für Spargel, Erdbeeren und Co., die rund 50 Prozent aller landwirtschaftlichen Kunststoffe ausmachen. Große Teile der Gemüseproduktion in Südspanien, aber auch Österreich, sind von Mulchfolien abhängig“, erklärte Thilo Hofmann.

Aber auch über wassersparende Bewässerungssysteme, die Befestigung der Pflanzen mit Klammern bis zum Schutz mit Netzen sei Kunststoff tief in die Lebensmittelproduktion eingebettet. Mit Mulchfolien könnte beispielsweise nicht nur Unkraut bekämpft, sondern auch die Bodenfeuchtigkeit bewahrt, die Temperatur reguliert und die Nährstoffaufnahme verbessert werden. „Allerdings werden derzeit nahezu ausschließlich konventionelle Kunststoffe eingesetzt – bei uns meist Polyethylen, aber weltweit auch PVC, also Material mit toxischen Additiven wie zum Beispiel Phthalate“, so Hofmann.

Weichmacher und Nanopartikel

Giftige Zusatzstoffe, chemische Substanzen wie beispielsweise Weichmacher oder UV-Stabilisatoren, die zu Kunststoffen gemischt werden, seien das Hauptproblem, da sie mit der Nahrung aufgenommen werden können. „Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass toxische Kunststoffzusätze durch sicherere Alternativen ersetzt werden“, sagte der Experte.

Außerdem könnten winzige Kunststoffpartikel in die Nahrungskette gelangen, so genanntes Nanoplastik. Obwohl die Forschung dazu noch in den Anfängen stecke, würden erste Daten darauf hindeuten, dass die Aufnahme von Nanoteilchen in Pflanzen nicht ausgeschlossen sei.

Tücken von Biomaterialien …

Wenn konventionelle Kunststoffe in der Umwelt verbleiben, reichern sich deren Rückstände in den Böden an. Die etwas teureren biologisch abbaubaren Kunststoffe, deren Basis aus Biomaterialien oder auch fossil sein kann, hätten sich bisher kaum durchgesetzt. Biobasierte Materialien seien zwar eine verlockende Alternative, könnten im großen Maßstab eingesetzt die Ökosysteme ungewollt aber noch mehr belasten.

Hofmann verwies diesbezüglich auf die Beimischung der ersten Generation von E10-Kraftstoff mit einem zehnprozentigen Biosprit-Anteil zu Benzin, „da wurden sofort Landwirtschaftsflächen aufgekauft, um Treibstoff herzustellen. Der dafür zum Beispiel angebaute Raps wird stark mit Pestiziden gespritzt, weil er ja nicht gegessen wird. Das landet dann im Grundwasser“.

… auch basierend auf Meerestieren

Würde man einen großen Teil des Plastiks durch biobasierte Materialien ersetzen, führe das dazu, dass gezielt Rohstoffe für Kunststoffe angebaut und damit Ackerflächen verdrängt würden. „Im Meer ist es das gleiche Problem: Man kann aus den Schalen von Krabben oder aus Fischabfällen biobasierte Kunststoffe herstellen. Aber das führt zur Förderung von Aquakulturen, die ja auch eine stark negative Einwirkung auf die Umwelt haben können. Was sich im Kleinen gut anhört, ist im Großen nicht umzusetzen, ohne negativ in Ökosysteme einzugreifen“, erläuterte der Experte. Hier müsse eine Analyse über den gesamten Lebenszyklus durchgeführt werden.

Effizientere Sammlung und Recycling

Ein vollständiger Ersatz von Kunststoffen sei derzeit also nicht sinnvoll. Die Forscherinnen und Forscher raten zu einem rationellen Einsatz von Alternativen mit minimalen ökologischen Auswirkungen, modernen Recyclingmethoden und einer effizienten Sammlung nach der Verwendung. „Kunststoffe könnten als Dienstleistung angeboten werden, wenn etwa Mulchfolien verkauft, aber nach dem Einsatz zurückgenommen werden. In den Fällen, in denen Kunststoffe in der Umwelt verbleiben, sollten sie vollständig biologisch abbaubar sein“, so Hofmann.