Papageien, Mönchssittich, Vögel, Tiere
henk bogaard – stock.adobe.com
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Studie

Papageien erkennen Artgenossen an Stimme

Wie Tiere miteinander kommunizieren und einander auch in großen Gruppen erkennen, ist immer noch ein Rätsel. Manche Papageienarten könnten dem Menschen dabei aber ähnlicher sein als bisher vermutet: Eine neue Studie deutet darauf hin, dass Mönchssittiche ihre Artgenossen an der Stimme erkennen.

Menschen können ihre Freunde und Bekannten meist ohne Probleme nur anhand der Stimme erkennen. Merkmale wie die Stimmlage, verschiedene Rhythmen beim Sprechen und besondere Betonungen bilden ein individuelles Muster, das ähnlich wie ein Fingerabdruck einzigartig ist. Im Englischen sprechen Expertinnen und Experten daher auch vom „voiceprint“, also dem „Stimmabdruck“ eines Menschen.

Wie stark „voiceprints“ auch im Tierreich verbreitet sind, ist bei den meisten Arten noch unklar. „Bisher hat man nur Hinweise darauf gefunden, dass der individuelle Stimmabdruck bei Rotwild und Schimpansen eine Rolle spielt“, erzählt der Tierforscher Simeon Smeele vom deutschen Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie im Gespräch mit science.ORF.at. „Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass vor allem sehr soziale Tierarten auf ähnliche Weise kommunizieren.“

Komplexe Kommunikation in Schwärmen

Bei Tieren, die in großen Schwärmen leben, seien die potenziellen Vorteile eines individuellen Stimmabdrucks demnach am größten. Dazu gehören zahlreiche Vogelarten, aber auch Säugetiere wie Fledermäuse und Delfine. Je mehr Vertreter einer Tierart zusammenleben, desto schwieriger und komplexer werde auch die gruppeninterne Kommunikation, so Smeele. „Es kann sein, dass zehn und mehr Vögel auf einmal zwitschern und krächzen – sie brauchen also irgendeine Möglichkeit, ihre Artgenossen auseinanderzuhalten.“

Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam fokussierte sich Smeele daher auf besonders soziale, und gleichzeitig sehr kommunikative Tiere: die Mönchssittiche. Dabei handelt es sich um eine südamerikanische Papageienart, die in großen Gruppen lebt und die mittlerweile auch in europäischen Großstädten häufig anzutreffen ist: „In Barcelona haben sich die Vögel stark ausgebreitet und man findet sie in fast jedem Park.“

Mönchssittiche in Barcelona

Das Team um Smeele filmte die Mönchssittiche in Parks in Barcelona

Körperliche Voraussetzungen

Dass die Wahl des Forschungsteams auf die kleine Papageienart fiel, habe neben der großen Ausbreitung noch einen weiteren wichtigen Grund: Für einen individuellen Stimmabdruck gibt es bestimmte körperliche Voraussetzungen, die von den Tieren erfüllt werden müssen. „Wie auch Menschen benutzen Papageien ihre Zunge und den Schnabel, um ihre eher krächzenden Geräusche zu kontrollieren“, so Smeele. Das unterscheide sie auch von Singvogelarten, die mit klaren Pfeifgeräuschen und Melodien kommunizieren. Ein komplexer individueller Stimmabdruck sei bei Singvögeln demnach nicht möglich.

Ein weiterer Vorteil für das Forschungsteam: In Barcelona sind die eingewanderten Mönchssittiche gut erforscht. Ein Programm unter der Leitung des Naturwissenschaftlichen Museums (Museu de Ciències Naturals de Barcelona) untersucht die invasive Spezies seit zwanzig Jahren und konnte dabei bereits rund 3.000 individuelle Vögel markieren.

Kontaktrufe nicht konstant

Bisher wurde vermutet, dass Papageien bestimmte Kontaktrufe nutzen, die sich von Vogel zu Vogel unterscheiden, um sich bei ihren Artgenossen vorzustellen. Diese These stellt Smeele nun aber in einer Studie im Fachjournal „Royal Society Open Science“ in Frage, denn er konnte einzelne Mönchssittiche in Barcelona mehrmals über einen zweijährigen Zeitraum untersuchen und ihre Geräusche aufnehmen. Dabei stellte er fest, dass sich die Wellenlängen der Rufe vom einen zum anderen Mal stark unterschieden, obwohl sie vom selben Vogel stammten.

Mönchssittiche im Nest

Eine Aufnahme von den Papageien im Nest

Der Tierforscher vermutete daher, dass andere Stimmmerkmale für die reibungslose Kommunikation unter den Papageien verantwortlich sind. Um dem nachzugehen, sammelte er mit dem Team über 5.000 Aufzeichnungen der Mönchssittiche, was die Forschungsarbeit laut eigenen Angaben zu der bisher größten Papageienstudie ihrer Art macht.

Stimmerkennung bei Vögeln

Um zu testen, ob die Tiere tatsächlich einen individuellen Stimmabdruck haben, nutzte Smeele maschinelle Lernvorgänge und ein Modell, das normalerweise bei der Stimmerkennung von Menschen zum Einsatz kommt. Das Team trainierte das Modell, die Rufe einzelner Papageien zu erkennen und versuchte damit, andere Geräusche der Vögel dem richtigen Individuum zuzuteilen. Tatsächlich gelang das in manchen Fällen – laut Smeele erzielte das Modell drei Mal bessere Ergebnisse als ein Vergleichsmodell, das die Geräusche zufällig zuordnete.

Von einem eindeutigen Beweis, dass Mönchssittiche einen individuellen Stimmabdruck haben, könne man daher derzeit noch nicht sprechen. „Wir haben Hinweise darauf gefunden, für einen klaren Beweis fehlen uns aber noch weitere Daten.“

Das Potenzial für weitere Untersuchungen auf dem Gebiet sei jedenfalls enorm: „Es ist zum Beispiel auch noch nicht klar, ob die Papageien wirklich etwas mit den unterschiedlichen Stimmlagen anfangen können. Nur weil es sie wahrscheinlich gibt, heißt das nicht, dass die Tiere auch darauf reagieren.“ Dennoch geht Smeele davon aus, dass die Vögel ihre verschiedenen Stimmen nicht umsonst entwickelt haben. In Zukunft möchte der Tierforscher den individuellen Stimmabdruck auch bei anderen Tierarten, wie Fledermäusen, nachweisen.