Regenwurm, Natur, Erde
Anna Ritter – stock.adobe.com
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Bodenbewohner

Wie Regenwürmer das Klima beeinflussen

In unseren Breiten gelten Regenwürmer als überaus nützlich: Sie lockern den Boden auf und transportieren Nährstoffe. Sie werden dringend gebraucht, um die Folgen der Klimaerwärmung abzumildern. In manchen Gegenden Nordamerikas hingegen sind die Tiere als invasive Art gefürchtet, denn dort tragen sie zum Ausstoß von Treibhausgasen bei.

„Nimm deine Würmer wieder mit!“ – so warnt ein Plakat in einem Anglershop in Alberta, Kanada. Die Erklärung folgt: „Regenwürmer sind in diesen Wäldern eine invasive Art und können Pflanzen und Tierwelt schädigen!“ Solche Kampagnen sind in den letzten Jahren mehr geworden, man versuche verzweifelt, die Regenwürmer aus dem Boden fernzuhalten, erklärt Nico Eisenhauer von der Universität Leipzig. Er untersucht die Ausbreitung von Regenwürmern in den USA und sehe immer deutlicher, welche Folgen der kleine Wurm für das dortige Ökosystem hat.

Dass Regenwürmer an anderen Orten als invasive Art gelten, können sich viele Europäerinnen und Europäer vermutlich kaum vorstellen. Doch in Nordamerika waren Regenwürmer seit der letzten Eiszeit vor ungefähr 20.000 Jahren ausgestorben, und das Bodenökosystem richtete sich darauf ein – bis die europäischen Siedler den Regenwurm ab dem 17. Jahrhundert wieder einschleppten, etwa in Pflanzenballen. Bis dahin lebten nur an den Küsten im Süden noch einige autochthone Regenwurmarten. Diese bewegten sich lange Zeit nur etwa drei bis zehn Meter pro Jahr nach Norden. Im hohen Norden kommen deshalb bis heute nur europäische Regenwürmer vor, und zwar inselartig meist dort, wo sich Menschen aufhalten.

Gefahr fürs Ökosystem

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen konnten deshalb den Wald mit und ohne Regenwürmer erforschen und stellten fest: Die Würmer fressen die Schicht Blätter vom Boden weg, die normalerweise schützend wirkt. Das Ökosystem ist hier auf einen Boden ohne Würmer abgestimmt, die Würmer richten hier großen Schaden an.

Hinweis

Dem Regenwurm und seiner Rolle für Umwelt und Klima widmet sich auch ein Ö1-Podcast: „Regenwürmer: Invasive Art, Ökoingenieure und Spezialisten für Ernährung“. Zu finden in sound.ORF.at und überall, wo es Podcasts gibt.

Kommen Würmer in ein bisher wurmfreies Gebiet, werden Wurzeln von Bäumen freigelegt. Die Vegetation, die Pflanzen- und Tiergemeinschaften verändern sich grundlegend. Manche einheimische Pflanzen reagieren mit Trockenstress, bei anderen wird die Verbindung mit den Bodenpilzen gestört.

Auch auf dem Boden brütende Vögel werden von Würmern gestört, denn diese zersetzen ihre Nester. Neu eingewanderte Pflanzen aus Europa wiederum können sich durch die Würmer noch schneller verbreiten, stellte man fest.

Würmer setzen Kohlenstoff frei

Durch die Regenwürmer gerät die gesamte Bodenchemie durcheinander, so Eisenhauer. Es werden Nährstoffe freigesetzt, die zuvor im organischen Material gebunden waren. Ein Beispiel ist Kohlenstoff, der im Oberboden gespeichert war. Dieser wird dann an die Luft freigegeben.

In arktischen Böden lagert besonders viel klimaschädlicher Kohlenstoff. Und mit dem Auftauen der Böden siedeln sich immer mehr Regenwürmer an. Sie pflügen die Erde um und sorgen dafür, dass noch mehr Kohlenstoff in die Luft entweicht, erklärt Eisenhauer. Er spricht von einem positiven Rückkopplungseffekt auf die Klimaerwärmung: Die Regenwürmer können Kohlenstoff freisetzen, und das wiederum könne die Temperatur weiter erhöhen.

„Wurmeffekt“ auf Klima noch unklar

Immer noch sind große Teile der Wälder Nordamerikas wurmfrei. Organische Materialien wurden deshalb langsamer zersetzt, und es lagerten sich größere Mengen Kohlenstoff an. Diese werden von den invasiven Würmern jetzt nach und nach freigesetzt.

Invasive Regenwürmer wurden bereits an verschiedenen Stellen in und am Rand der Arktis gefunden. Sie werden sich wohl weiter verbreiten, schätzt Eisenhauer. In Kanada, Alaska und Sibirien könne das rund eine Billion Tonnen gespeicherten Kohlenstoffs betreffen. Eisenhauer relativiert: Man wisse aus den heimischen Ökosystemen, dass Regenwürmer auch einen positiven Effekt auf die Kohlenstoffspeicherung haben können. Denn die Regenwürmer ziehen zum Beispiel Blattreste in untere Schichten und speichern somit gebundene Stoffe in tieferen Lagen im Boden.

„Gerade in den Auswüchsen der Regenwürmer vermengt sich dann das organische Material mit Mineralien im Boden, und es können relativ stabile Komplexe entstehen, die dann den Kohlenstoff auch im Boden halten können“, gibt Eisenhauer zu bedenken. Regenwürmer lassen Pflanzen auch schneller wachsen. Und: Pflanzen können ebenfalls CO2 speichern. Eine Klimabilanz der Regenwürmer müsste also viele Faktoren miteinbeziehen – Arbeit für die Zukunft.

In Europa wichtige Helfer

In Europa können Regenwürmer den Bäuerinnen und Bauern helfen, Trockenheit und Starkregen besser zu bewältigen. Sie sind wichtige Akteure im Ökosystem des Bodens, sie lockern ihn auf, belüften ihn und transportieren Nährstoffe von oben nach unten. Und sie helfen der Landwirtschaft im Klimawandel, denn durch ihren Röhrenbau kann der Boden mehr Wasser halten, das ist besonders wichtig, wenn sich Starkregen und Dürre abwechseln, erklärt Regenwurmforscherin Pia Euteneuer von der Universität für Bodenkultur in Wien. Das Sickerwasser könne durch die vertikalen Röhren besser in den Boden gelangen, während andere, flachgrabende Würmer helfen, das Wasser dann an die Seite oder seitlich bis zu den Pflanzenwurzeln zu transportieren.

Wurmschwund bei Trockenheit

Bei Starkregen könne der Boden auf diese Wiese bis zu sechs Liter Wasser pro Minute aufnehmen, so Euteneuer. Außerdem könne der Boden durch die Regenwürmer auch besser Wasser speichern und sei insgesamt stabiler. Die Würmer leiden allerdings selbst unter Trockenheit und hohen Bodentemperaturen. Studien aus Österreich hätten gezeigt, dass die Anzahl der Würmer nach einer Dürre stark zurückgehe, so Euteneuer.

Allerdings: Wenn es wieder regnet, scheinen sich die Bestände bisher wieder zu erholen, Langzeitstudien aus England und Frankreich würden bisher keine signifikante Abnahme durch den Klimawandel zeigen, aus Österreich gibt es keine Zahlen, so Euteneuer.

Wurmreichtum fördern

Entscheidend für den Wurmreichtum sei vielmehr, ob die Bäuerinnen und Bauern den Boden pflügen oder nicht: „Die Landnutzung und die Bearbeitungsweise auf dem Acker ist viel ausschlaggebender“, so Euteneuer. „Selbst in trockenen Jahren, wo ich aber eine reduzierte Bodenbearbeitung habe – das heißt, kein Pflug verwendet worden ist – habe ich immer noch mehr Regenwürmer als auf einem gepflügten Feld.“

Regenwürmer ziehen sich bei Hitze und Trockenheit bis zu 70 Zentimeter in die Tiefe zurück, das schaffen aber nur die älteren Würmer, viele jüngere sterben deshalb bei langer Trockenheit. Regenwürmer brauchen vor allem Wasser, Bodenruhe und Futter. Landwirtinnen und Landwirte könnten einiges dafür tun, dass ihnen die Würmer erhalten bleiben, meint Eutenauer. Förderlich sei etwa die Direktsaat ohne Bodenbearbeitung. Auch eine Begrünung im Winter ist gut für Regenwürmer, dadurch bekommen sie genügend Futter und Energie, um durch den meist trockenen Sommer zu kommen.