Regenwurm, Natur, Erde
Anna Ritter – stock.adobe.com
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Analyse

Wie Regenwürmer zur Nahrungsproduktion beitragen

Regenwürmer haben einen überraschend großen Anteil an der weltweiten Lebensmittelproduktion. Wie eine aktuelle Analyse aus den USA zeigt, gäbe es ohne Regenwürmer knapp 130 Millionen Tonnen weniger Weizen, Mais, Reis und Gerste im Jahr – die gesamte internationale Getreideproduktion würde um rund 6,5 Prozent sinken.

Wenn es um die sichere Versorgung mit Lebensmitteln geht, werden oft große Themen und Fragen diskutiert – von der Klimaerwärmung bis hin zu aufwendigen Getreidelieferungen rund um den Globus. Ein Forschungsteam aus den USA richtete den Fokus nun aber auf ein vergleichsweise kleines Element in der weltweiten Nahrungsproduktion: den Regenwurm.

Anders als bei den oft im Rampenlicht stehenden Bienen werde die Arbeit der Regenwürmer meist unterschätzt, so der Agrarwissenschaftler Steven Fonte von der Colorado State University gegenüber science.ORF.at. Und das zu Unrecht, immerhin verändern die kleinen Würmer die Struktur des Untergrunds und sind gleichzeitig wichtige Nährstofflieferanten. „Die Würmer zersetzen totes Pflanzenmaterial, erzeugen verschiedene Nährstoffe wie zum Beispiel Stickstoff und machen den Boden poröser, wodurch mehr Wasser einsickern kann.“

Großer Einfluss auf Getreideproduktion

Für die Forschung sind die kleinen Tiere daher äußerst interessant. „Anhand der mittlerweile recht gut untersuchten Regenwürmer können wir langsam anfangen zu verstehen, wie sehr sich eine gute Biodiversität im Boden auf den Ertrag verschiedener Pflanzen auswirkt – und das auf globaler Ebene“, so Fonte. Bevor er dieser Frage in künftigen Studien nachgehen kann, wollte der Agrarforscher genauer klären, wie stark sich die Regenwürmer tatsächlich auf die Erträge in der Landwirtschaft auswirken.

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APN
Ohne Regenwürmer würde die weltweite Getreideproduktion um 6,5 Prozent sinken

Dazu analysierte Fonte gemeinsam mit einem kleinen Team die Daten von mehreren früheren Untersuchungen. Die Forscherinnen und Forscher nutzten umfangreiche Informationen über die weltweite Verbreitung der Regenwürmer, Karten über die Bodenbeschaffenheiten verschiedener Regionen und Daten über den dortigen Ernteertrag. So gelang es, die Beteiligung der Regenwürmer an der globalen Lebensmittelproduktion zu berechnen und einen Schätzwert zu ermitteln, den die Forscherinnen und Forscher aktuell in einer Studie im Fachjournal „Nature Communications“ präsentieren.

Es zeigte sich, dass die kleinen Würmer so viel in der Landwirtschaft leisten, dass die gesamte internationale Getreideproduktion ohne sie um rund 6,5 Prozent sinken würde. Das entspricht rund 128 Millionen Tonnen an Weizen, Mais, Reis und Gerste, die ohne die Hilfe der Regenwürmer nicht wachsen könnten. Zum Vergleich: „Das ist ungefähr so viel, wie Brasilien oder Russland in einem ganzen Jahr produzieren – und dabei handelt es sich um die viert- und fünftgrößten Getreideproduzenten der Welt“, so Fonte.

Beteiligung im Süden besonders groß

Im Rahmen der Untersuchung zeigten sich aber auch klare geographische Unterschiede. Das Team kam etwa zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung der Würmer in südlicheren Regionen der Welt oft besonders groß ist. Im Süden Afrikas liege ihr Anteil an der Getreideproduktion bei rund zehn Prozent, in Lateinamerika und der Karibik bei acht Prozent. „Und das, obwohl es in vielen dieser Gebiete nicht unbedingt große Regenwurmpopulationen gibt“, so Fonte. Dass sie dort trotzdem so einen großen Anteil an der Nahrungsproduktion aufweisen, liege wahrscheinlich eher an den naturbelasseneren Böden und dem oftmaligen Fehlen chemischer Düngemittel.

Bei der Produktion von Hülsenfrüchten fiel die Schätzung des Forschungsteam hingegen geringer aus: „Im Gegensatz zu den verschiedenen Getreidesorten sind Hülsenfrüchte nicht so stark auf den Stickstoff angewiesen, der von den Regenwürmern produziert wird. Wir gehen daher davon aus, dass die weltweite Produktion von Hülsenfrüchten ohne die Würmer um rund 2,3 Prozent zurückgehen würde“. Auch diese Zahl sei auf globaler Ebene aber nicht zu unterschätzen. Insgesamt beteiligen sich die Würmer laut den Schätzungen jedes Jahr an der Produktion von mehr als 140 Millionen Tonnen an Lebensmitteln.

Weniger künstliche Dünger, mehr Biodiversität

Die Arbeit des US-amerikanischen Forschungsteams ist laut Fonte nur ein erster Überblick, weitere Studien müssten die verschiedenen Auswirkungen gesunder Regenwurmpopulationen aber noch genauer untersuchen, um so vielleicht noch weitere positive Effekte der Würmer zu entdecken. In Anbetracht der aktuellen Studienergebnisse wäre es laut dem Agrarforscher jedenfalls wichtig, Regenwürmer besser zu schützen. Dafür sei es auch unabdingbar, generell stärker auf die Gesundheit der Böden in der Landwirtschaft zu achten, um den Einsatz von künstlichen Düngern in Zukunft zu reduzieren, die Biodiversität im Untergrund zu unterstützen und trotzdem eine sichere Lebensmittelversorgung zu garantieren.