Weiße Maus im Labor
APA (Techt)
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Mäusestudie

Spermidin verjüngt auch Eizellen

Spermidin ist eine körpereigene Substanz, die auch in vielen Lebensmitteln vorkommt. Sie verlängert das Leben von Hefen, Fliegen und Mäusen und gilt daher als vielversprechendes Anti-Aging-Mittel. Wie eine Studie nun zeigt, fördert es außerdem die Fruchtbarkeit älterer weiblicher Mäuse. Möglicherweise könnte das auch älteren Frauen mit Kinderwunsch helfen.

Frauen werden heute viel später das erste Mal Mutter als noch vor wenigen Jahrzehnten. Mit zunehmendem Alter bleibt der Kinderwunsch aber auch häufiger unerfüllt, denn ab Mitte 30 nimmt die Fruchtbarkeit deutlich ab. Davon profitiert vor allem die Reproduktionsmedizin, die Hormonbehandlungen oder künstliche Befruchtung anbietet. Aber auch deren Erfolgsrate nimmt mit dem Alter ab, und für die Frauen bedeuten die Prozeduren eine hohe körperliche und seelische Belastung. Eine weniger invasive Behandlung, die die natürliche Fruchtbarkeit verlängert, wäre für viele Betroffene ein Segen.

Eine soeben im Fachmagazin „Nature Aging“ erschienene Studie an Mäusen nährt nun die Hoffnung auf eine solche bedeutend schonendere Therapie. Die darin untersuchte Substanz Spermidin ist aus der Altersforschung bereits bekannt. Seit Jahren gilt sie als womöglich verjüngendes Wundermittel. Das natürliche Polyamin aktiviert die Zellerneuerung, mit zunehmendem Alter sinkt allerdings der Gehalt an körpereigenem Spermidin. Eine externe Zufuhr von Spermidin, das auch in zahlreichen Lebensmitteln wie etwa Käse, Pilzen oder Weizenkeimen vorkommt, verlängert die Lebensspanne und den Gesundheitszustand verschiedener Arten, darunter Hefen, Fadenwürmer, Fliegen und Mäuse. Es wird vermutet, dass der mit dem Alter abnehmende Spiegel mit altersbedingten Erkrankungen zusammenhängt.

Fruchtbarere Mäuse

Das Forschungsteam der chinesischen Nanjing Agricultural University verglich die Stoffwechselprodukte der Eierstöcke von jungen mit denen älterer weiblicher Mäuse. Es zeigten sich deutliche Unterschiede beim Spermidinspiegel, bei älteren Tieren war er niedriger. Das ging mit einer Verschlechterung der Eizellqualität sowie anderen Anzeichen für eine Eierstockalterung einher.

Um zu testen, ob es sich dabei um einen ursächlichen Zusammenhang handelt, verabreichten die Forscher und Forscherinnen den älteren Tieren Spermidin, entweder im Trinkwasser oder in Form von Injektionen. Tatsächlich stieg der Spermidinspiegel in den Eierstöcken, es entwickelten sich mehr Eizellen und die Fruchtbarkeit der Mäuseweibchen nahm deutlich zu. D. h., die Tiere bekamen zum Teil sogar doppelt so viele Junge. Eine weitere Untersuchung an Eizellen von Schweinen zeigte ähnliche Effekte. Vermutlich hilft das zusätzliche Spermidin in den Eierstöcken bei der Zellerneuerung. Beschädigte Bestandteile werden beseitigt – diesen Prozess nennt man auch Autophagie -, und es gibt eine Wechselwirkung mit den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen.

Offene Fragen zur Übertragbarkeit

Wie der Grazer Altersforscher und Molekularbiologe Frank Madeo und sein Kollege Andreas Zimmermann in einem Begleitkommentar zur Studie schreiben, ist es für eine zukünftige Behandlung von älteren Frauen mit Kinderwunsch ein wichtiger Schritt zu verstehen, welche molekularen Prozesse hinter der Alterung von Eizellen stecken. Zur Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen geben sich die beiden Forscher dennoch vorsichtig. Prinzipiell gebe es zwar Ähnlichkeiten zwischen dem Alterungsprozess von menschlichen Eizellen und solchen von Mäusen, aber es bleiben noch viele offene Fragen.

Auch andere Forscherinnen und Forscher reagieren gegenüber dem deutschen Science Media Center vorwiegend zurückhaltend auf die Studienergebnisse. So zweifelt etwa Verena Nordhoff vom Universitätsklinikum Münster an der Übertragbarkeit der Studie auf Menschen, da der Alterungsprozess doch sehr unterschiedlich verläuft: „Ein Mäuseweibchen lebt etwa zwei Jahre und ist die meiste Zeit ihres Lebens fruchtbar. Im Gegensatz dazu sind Menschen sehr langlebig, und die Abnahme der weiblichen Fruchtbarkeit mit dem Alter ist mit anderen Komplikationen verbunden, die bei Mäusen nicht vorhanden oder möglicherweise irrelevant sind.“

Passende Dosis

Besonders bei der Dosis gibt es nach Ansicht vieler Fachleute noch offene Fragen. Denn es gebe auch Hinweise auf mögliche Überdosierungen und Nebenwirkungen. „Obwohl Tier- und Humanstudien darauf hindeuten, dass Spermidin gut verträglich ist, hat eine frühere Studie an Mäusen gezeigt, dass eine Behandlung mit sehr hohen Dosen Schäden in den Eierstöcken und insbesondere in den Granulosazellen, die die Eizelle umgeben, hervorruft“, betont etwa Sandra Laurentino, ebenfalls vom Universitätsklinikum Münster. „Das deutet darauf hin, dass die richtige Dosierung ein sehr wichtiger Faktor zu sein scheint und Spermidin möglicherweise nicht ‚einfach so‘ in größeren Mengen eingenommen werden sollte.“

Auch Madeo und Zimmermann weisen in ihrem Kommentar darauf hin, dass Timing und Dosierung für den Erfolg einer Spermidinbehandlung entscheidend sein könnten. Derzeit laufen einigen Studien zur Wirkung der Substanz, etwa bei Bluthochdruck und Depressionen. Angesichts der wachsenden Anzahl an Frauen, die Unterstützung bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches suchen, halten die beiden Grazer Forscher jedenfalls Studien mit Spermidin auch in diesem Zusammenhang für gerechtfertigt.