Künstlerische Darstellung von DNA
©ktsdesign – stock.adobe.com
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Gesundheitsrisiken

Wann Lifestyle-Gentests sinnvoll sind

Kommerzielle Gentests sind auch in Österreich zunehmend populär: Damit kann man nicht nur versuchen herauszufinden, woher die eigenen Vorfahren stammen, sondern auch mögliche Gesundheitsrisiken abtesten. Experten sehen diese Lifestyle-DNA-Tests kritisch, es gibt aber auch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten.

Werde ich einmal an Arthritis erkranken, oder an Lungenkrebs? Habe ich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Grauen Star – oder für eine Venenthrombose? All diese Fragen verspricht ein einfacher Gentest zu klären: Man spuckt in ein Röhrchen, sendet dieses ans Labor, und wenige Wochen später erhält man das Resultat.

Solche Tests werden auch im Internet angeboten. In Österreich sind diese Tests aber eigentlich nur dann erlaubt, wenn man sich vorher einer genetischen Beratung unterzieht, und das sei auch gut so, sagt Johannes Zschocke, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik und Leiter des Departments für Genetik an der medizinischen Universität Innsbruck. Denn aus einem Gentest können sich unterschiedliche Folgen ergeben. Wird etwa ein Risiko abgetestet, für das es keine Behandlungsmöglichkeit gibt, sollte man sich sehr genau überlegen, ob man einen solchen Test überhaupt durchführen lassen möchte.

Die Ursache liegt in den Genen – manchmal

Zunächst muss man unterscheiden: Handelt es sich um eine monogenetische Erkrankung, die tatsächlich direkt durch die Veränderung eines bestimmten Gens verursacht wird, oder um eine multifaktorielle Erkrankung. Monogenetische Erkrankungen werden oft vererbt. Bei einem Test erhält man die Antwort, ob diese Veränderung vorliegt – oder nicht.

Chorea Huntington ist ein Beispiel für eine solche seltene vererbbare Erkrankung, bei der es bei den Betroffenen etwa im Alter von vierzig oder fünfzig Jahren zu schwerwiegenden Bewegungs- und Verhaltensstörungen kommt. Der genetische Test ergibt hier die klare Antwort, ob man diese Erkrankung bekommen wird oder nicht.

Gerade in einem solchen Fall sei eine eingehende Beratung unumgänglich. Aber es gibt auch das Recht auf Nichtwissen: Also selbst wenn man weiß, dass man ein hohes familiäres Risiko für diese Erkrankung hat, kann man sich dagegen entscheiden, das tatsächlich testen zu lassen, sagt Markus Hengstschläger, Leiter des Instituts für medizinische Genetik an der Medizinuni Wien.

Multifaktorielle Erkrankungen

Multifaktorielle Erkrankungen können durch die Genetik bestimmt werden, aber auch durch viele andere Faktoren, etwa durch Umwelteinflüsse oder durch das eigene Verhalten, sagt Hengstschläger. Die genetische Veranlangung bestimmt also mit, ob eine Person eine höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit hat.

Aber niemals könne man aufgrund solcher Tests sagen, dass man mit Sicherheit eine bestimmte Krankheit bekommt, wann genau sie ausbrechen wird, und welche Symptome sich entwickeln. Bei solchen Tests erachtet Hengstschläger es als besonders wichtig, dass man beim Durchführen der Testung begleitet wird, und zwar von Fachleuten, die die Ergebnisse auch zu interpretieren wissen.

Gentest bei Vorbelastung sinnvoll

Aber es gibt auch Fälle, in denen genetische Tests durchaus sinnvoll sind: etwa wenn in einer Familie bestimmte Krankheiten gehäuft auftreten, oder wenn man selbst bereits erkrankt ist. Das betrifft etwa eine bestimmte Form der Herzmuskelschwäche, früh auftretende Nierenzysten oder eine ungewöhnliche Lungenerkrankung, sagt Johannes Zschocke. Diese Krankheiten können auch genetisch mitverursacht sein, und das kann man mit guten genetischen Untersuchungen abklären.

Auch Markus Hengstschläger empfiehlt, sich im Verdachtsfall zuerst von Fachärztinnen und Fachärzten beraten zu lassen, sodass man gemeinsam eine Entscheidung über eine mögliche Testung treffen kann. Definitiv abraten würde Hengstschläger davon, eine solche Entscheidung spontan aus Neugier oder aus einer Laune heraus quasi am Küchentisch zu treffen.

Denn im Fall eines „positiven“ Testergebnisses sollte man unbedingt fachlichen Beistand haben, um das Resultat richtig interpretieren zu können. Im besten Fall können kommerzielle Gentests unterhaltsam sein, sagt Genetiker Johannes Zschocke, im schlimmsten Fall – und ohne entsprechende Beratung – können sie aber zu falschen Ängsten und Sorgen führen.

Alzheimer-Test beim Gesundheitscheck

Eine wichtige Frage ist immer auch, ob es eine Behandlungsmöglichkeit für die Krankheit gibt, die man abtestet. Ein Beispiel: Auch bei Vorsorgeuntersuchungen kommen genetische Tests bisweilen schon zur Anwendung – etwa Alzheimer-Tests beim Gesundheitscheck. Aber ob man einen solchen wirklich durchführt, sollte man sich genau überlegen, sagt Demenzforscherin Elisabeth Stögmann von der Medizinuni Wien. Einerseits deshalb, weil es sich bei Morbus Alzheimer um eine multifaktorielle Erkrankung handelt.

Tatsächlich gibt es ein Gen, das ApoE4-Allel, das zu einer Erhöhung des Alzheimerrisikos beiträgt. Etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung tragen ein solches Allel, zwei Prozent sogar zwei davon. Trägt man ein ApoE4-Allel, so ist das Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken, dreifach erhöht; trägt man zwei dieser Allele, sogar zehn- bis zwölffach, so die Forscherin.

Dennoch gibt es sehr viele Menschen mit Alzheimer-Demenz, die gar keines dieser Allele haben. Und nicht bei jedem, der das Risiko-Allel trägt, bricht die Erkrankung tatsächlich aus. Insofern werde dieser Test ohne jeden Verdacht nicht empfohlen, da weder die Sensitivität noch die Spezifität des Tests so gut ist, dass man danach eine gezielte Aussage treffen kann. Hinzu kommt, dass die Therapiemöglichkeiten – derzeit – noch relativ eingeschränkt sind. Das könnte sich mit der Zulassung neuer Medikationen im kommenden Jahr möglicherweise ändern.

Gentest zur Brustkrebsvorsorge

Bereits zielgerichteter erfolgen Gentests bei Erkrankungen, bei denen die Behandlung schon sehr ausgereift ist, wie etwa im Fall von Brustkrebs. Ein kleiner Teil der Betroffenen trägt eine bestimmte genetische Veränderung – eine Mutation der Gene BRCA1 oder BRCA2, wodurch die körpereigenen Reparaturmechanismen gestört sind. Die Folge: ein erhöhtes Brustkrebsrisiko schon in jungen Jahren, sagt Humangenetiker Markus Hengstschläger.

In einem solchen Fall könne man aus einem positiven Test die Konsequenz ziehen, dass man sich viel früher und engmaschiger untersuchen lässt. Hier können genetische Tests also absolut sinnvoll sein, weil durch das rechtzeitige Entdecken eines Tumors im frühen Stadium eine Therapie eingeleitet und das Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden kann.

Maßgeschneiderte Therapie

Und auch in einem weiteren Bereich können Gentests wichtige Informationen liefern: in der Pharmakogenetik. Hier geht es darum, bei bestimmten Krankheiten – etwa bei Krebs oder Gefäßerkrankungen – zu prüfen, welche Medikamente bei einer Person besonders gut wirken. Denn es kann sein, das ein und dieselbe Substanz bei einer Person gut wirkt, während eine andere vor allem starke Nebenwirkungen verspürt.

Wenn man weiß, dass es hierfür eine genetische Veranlagung gibt, dann kann man daraus entsprechende Konsequenzen ziehen, und die passende Medikation auswählen. Dieser Bereich der maßgeschneiderten Therapien gilt derzeit als heißes Forschungsgebiet, und soll in Zukunft die Behandlung zahlreicher Erkrankungen deutlich verbessern.